Biographie niedergeschrieben von Irena Kern, 2005

Kindheit und Jugend

Meine frühesten Erinnerungen gehen auf das Jahr 1922 zurück, wo wir bereits in Baden bei Wien, Elisabethstresse 36, wohnten.
Vati diente im ersten Weltkrieg in Iglau, Mähren, vormals zu Österreich-Ungarn gehörend. Er blieb mit seiner Familie, er hatte bereits zwei in Wien geborene Töchter, in der neu gegründeten Tschechoslowakei. Beide Eltern, sie waren Gliedcousins, stammten aus dieser Gegend – aus Triesch bei Iglau.
Vati, ein gebürtiger Wiener, bekam nach seinem Militärdienst eine sehr gute Stelle in Brünn in einer Textilfabrik.
Ich wurde am 12. September in Brünn als dritte Tochter von Richard und Olga Berger, geb. Grünberger, in der eigenen Wohnung geboren. Als mein Vater erfuhr, dass er eine dritte Tochter bekommen hatte, fiel er in Ohnmacht. Er wünschte sich doch so sehr einen Stammhalter. Und meine beiden Schwesterlein – fünf und sechs Jahre alt – wussten, dass zur selben Zeit eine Nachbarin einen Jungen zur Welt brachte und meinten, man könnte doch die Babies einfach austauschen. Dies weiß ich natürlich nur aus Erzählungen.

Wie kamen wir also nach Baden bei Wien?

Vati erkrankte schwer – anscheinend war es Rheumatikfieber oder jedenfalls eine Erkrankung der Gelenke – und wurde nach Baden zur Erholung und Kur geschickt. Die Schwefelbäder und Schlammpackungen waren schon damals berühmt.

Als sich der Gesundheitszustand von Vati besserte, Vati viel im Ort und Umgebung spazieren gehen konnte, verliebte er sich regelrecht in diesen Ort und machte sich – im Einverständnis mit Mutti – auf die Suche nach einer passenden Wohnung, die er eben in einem sehr schönen, großen, zweistöckigen Haus, mitten in einem großen Garten, in der Elisabethstrasse Nr. 36 fand.

So kamen wir also nach Baden, blieben aber tschechische Staatsbürger.

Ich war damals etwa zweieinhalb  Jahre alt und sehe das Schlafzimmer meiner Eltern vor mir, wo in der Ecke mein Kinderbett stand und Mutti in Panik das Fenster öffnete und laut um Hilfe “Einbrecher, Einbrecher” schrie. Ich weiß noch, dass ich furchtbar zu weinen begann. Wie sich später herausstellte – und das weiß ich natürlich nur von Erzählungen viele Jahre später –  waren tatsächlich Einbrecher in unseren Salon eingedrungen und haben sehr viel und sehr Wertvolles mitgehen lassen.

Es gab damals eine ganze Reihe von Einbrüchen in Baden, die alle nicht aufgedeckt und die Diebe nicht gefasst waren. Dies konnte Vati nicht verstehen und es ärgerte ihn auch, dass sich weder Polizei, noch die Bestohlenen darum bemühten die Bande zu fassen. Nicht er! Obwohl auch hier in einer Textilfirma angestellt, ließ sich Vati unbezahlten Urlaub geben und nahm auf eigene Rechnung – und gegen den Willen der höheren Instanzen – die Suche nach den Verbrechern auf, besuchte Geschäfte, die mit Kunstgegenständen handelten und in keinem sehr guten Ruf standen – immer unter der Gefahr, von den Dieben oder deren Helfern überfallen zu werden.

Eines Tages – zufällig beim Aussteigen aus der Tram, der in Wien üblichen elektrischen Bahn – stand Vati vor einem kleinen, recht schmutzig wirkenden Geschäft und stutzte. Das war doch “seine kleine silberne Standuhr”! Zwar hatte sie nicht mehr das silberne Ziffernblatt, so wie früher, aber dennoch… Vati fühlte, dass das seine Uhr war und ,nicht ängstlich oder unentschlossen, ging er in das Geschäft, sah sich zunächst unschuldig um, betrachtete dies und das und auch die kleine Standuhr von allen Seiten und erkundigte sich ganz bescheiden beim Inhaber, woher er denn diese Uhr hätte. Es war gar nicht so leicht, vom Verkäufer eine Antwort zu erhalten. Erst als Vati ihm erklärte, er wolle diese Uhr kaufen, kam er mit der Sprache heraus. Trotz der ständigen Lebensgefahr und der Angst, dass die Diebesbande von seinen Nachforschungen erfuhr, gab er nicht auf, bevor er den Hehler (ein Individuum, welches gestohlene Waren aufkaufte und auf den Markt brachte) und, mit Hilfe eines Privatdetektivs, auch die Diebe gefunden und dafür gesorgt hatte, dass sie verhaftet wurden.
Einen Teil der uns gestohlenen Wertgegenstände bekam er zurück und auch die anderen bestohlenen Badener haben vieles wiederbekommen. Aber Vati bekam keinen Dank für seine Leistung und keiner dachte daran sich an seinen enormen Spesen zu beteiligen. (Dies nur, um den Charakter von Vati zu beschreiben.)
Ich besitze noch die kleine, oben erwähnte, Silberuhr, die meinen Vater auf die Spur der Verbrecher brachte. Ich habe auch noch die wunderschöne Klavierdecke, die die Einbrecher vorbereitet hatten, um sie auf Mutti zu werfen, falls diese es gewagt hätte, in den Salon zu kommen.

Spätere Erinnerungen sind spärlich. Ich ging in keinen Kindergarten, sehe mich oft im Garten hinter “unserem” Haus sitzen und mit meiner Puppe oder unserem Spitz, einem weißen Hund mit braunen Flecken, spielen. Ich habe diesen kleinen Hund sehr geliebt, obwohl er mich mit seinem Schwanz wedelnd, oft umwarf, war aber sehr viel allein. Meine beiden Schwestern gingen schon zur Schule.

Obwohl sie eine Hilfe, die im Haus wohnte, hatte, wie es in Europa und in unseren Kreisen üblich war, weckte uns Mutti frühmorgens singend und immer guter Stimmung. Und ich erinnere mich gerne, dass wir nunmehr unsere Füße aus dem Federbett herausstreckten und Mutti unsere Füße fest in Zeitungspapier hüllte – natürlich nur im Winter – damit wir recht warme Füße beim Spielen im Schnee und auf dem Schulweg hätten.

Ich beobachtete gerne die beiden “Grossen”, besonders wenn sie sich meinetwegen gestritten haben – Loli war sehr eifersüchtig auf mich und da war ich die “lachende Dritte”.

Meine Eltern hielten mir damals eine Erzieherin, eine Französin, und wollten, dass ich auf leichte Art auch die französische Sprache lernte. Aber aus mir heute unverständlichen Gründen weigerte ich mich und habe einfach nicht gesprochen, die Erzieherin ignoriert und auch Französisch nie gelernt.

Mit etwa drei, vier Jahren lernte ich Schwimmen und sehe noch das alte Bad, nahe vom Kurpark, vor mir. Es war klein, von einer Holzwand umgeben und Frauen und Männer waren getrennt.
Erst Jahre später wurde das große olympische Schwimmbad außerhalb der Stadt eröffnet und von diesem Moment an gingen wir natürlich dorthin und Mutti begleitete uns auch nicht mehr.

Wir waren nicht reich, aber jedenfalls wohlhabend. Vati war ein “selfmade man”. Er hat bereits mit sechs Jahren seine Mutter verloren. Sein Vater hatte ein Geschäft, war aber anscheinend kein sehr guter Kaufmann und es ging ihnen recht mittelmäßig. Sie waren fünf Geschwister, vier Burschen und eine Tochter, die Zweitälteste, die zwangsweise den Haushalt führen und sich auch um die Erziehung der Jungens kümmern musste. Vati war der Jüngste, geboren am 8. April 1885 in Wien, musste sehr früh arbeiten und Geld verdienen. Er konnte, obwohl sehr begabt, keinen Beruf lernen. Aber er war sehr ehrgeizig und intelligent und es gelang ihm, von unten als Lehrbursche angefangen, sich langsam herauf zu arbeiten. Und wie schon gesagt, befand er sich, als ich auf die Welt kam, bereits in gehobener, ja leitender Stellung; nachdem er auch einige missglückte Versuche gemacht hatte, selbständig zu sein.
1912 hatte er Mutti geheiratet, die, wie schon erwähnt, mit ihm verwandt war. (Zwei Jahre früher hatte auch sein älterer Bruder Alfred die ältere Schwester von Mutti, Hedwig, geheiratet. Familienehen waren zu diesen Zeiten in jüdischen Kreisen sehr häufig.)

Auch einige Worte zu Muttis Familie. Mutti, Olga Rachel aus dem Hause Grünberger, wurde am 19. Juni 1891 in Triesch geboren. Ihre Eltern besaßen später ein großes Gut in Ranzern, nahe von Iglau, und dort waren wir als Kinder oftmals zu Besuch. Über die Familie meines Großvaters weiß ich sehr wenig, obwohl ich ihn und seine zweite Frau Anni noch gut gekannt und sehr geliebt habe. Und ich war öfter bei ihnen, auch als das Gut bereits verkauft war und sie in Iglau lebten. Ich kannte natürlich auch Geschwister vom Großvater und andere Verwandte, aber ich kann mich kaum an sie erinnern. Ich erinnere mich an einen Sigi Grünberger, an Henriette Heski und an Tante Finsches, die alle in Wien lebten und die wir des Öfteren trafen. Insbesondere die Tanten kamen oft zu uns. Wir haben während der Emigration jeden Kontakt verloren.

Großvater (der einzige, den ich aus dieser Generation kannte) war sehr lebenslustig; ein gemütlicher alter Herr, immer mit der Zigarre im Mund. Er nannte uns “seine Graseln” und wir haben sehr gerne mit ihm Walzer getanzt. Er war ein ausgezeichneter Tänzer. 1936 starb er eines natürlichen Todes.

Großmutti, die noch vor meiner Geburt gestorben ist, stammte aus einer sehr reichen Kaufmannsfamilie aus Triesch bei Iglau. Mutti hatte noch fünf Geschwister. Erst kamen die drei Töchter auf die Welt, Hedwig, Olga und Albine, und dann die Jungens, Hugo und die Zwillinge Otto und Julius (Jula genannt). Ein vierter Junge, zwischen Hugo und den Zwillingen, war gleich nach der Geburt gestorben.

Mutti besuchte tschechische Schulen. Sie hätte gerne eine höhere Ausbildung gehabt und war sicher auch begabt, musste aber zugunsten der Brüder verzichten. Diese haben es alle recht weit gebracht: Hugo war Prokurist bei “Shell”, der Ölfirma; Otto bei “Merk”, einer bekannte pharmazeutischen Firma. Und Jula war Brueckenbau-Ingenieur und hat u.a. unter Massaryk, dem damaligen Präsidenten der CSR, dort die meisten Brücken und Strassen gebaut.

In meinem Elternhaus herrschte eine sehr gute, völlig deutschsprachige Atmosphäre. Es wurde viel musiziert, Vati spielte die Geige, später zusammen mir Loli, die die beste Klavierspielerin von uns Dreien war. Wir hatten ein offenes Haus, sehr viel Gesellschaft und Freunde, auch oftmals viele Gäste, die je nach dem Tage oder auch Wochen bei uns blieben. Und schon sehr früh wurde ich in leichte Konzerte und Theater mitgenommen. Ich erinnere mich noch heute gerne an “Hänsel und Gretel”, “Lohengrin” und viele der berühmten Wiener Operetten und Opern.

Auch an die Schulzeit in Baden sind meine Erinnerungen spärlich. Ich war ein ziemlich schüchternes Kind und habe mich nur schwer an andere Kinder angeschlossen. Aber ich erinnere mich an meinen Lehrer, Herr Fischer, den ich in den ersten zwei Klassen hatte und in den ich reichlich “verliebt” war. Ich hatte auch in den ersten Schultagen eine “Freundin”, Adelheid, eine Adlige, die den selben Schulweg hatte. Sie wohnte beim Dobbelhof und es war uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir beide gemeinsam nach Hause gingen – bis nach kurzer Zeit mir Adelheid erklärte, sie dürfe nicht mit mir, einer Jüdin, verkehren. Wir waren sechs Jahre alt! Es war ein schwerer Schlag für mich und brachte mir zum ersten Mal in meinem Leben zum Bewusstsein, dass ich etwas anderes bin als meine Schulkolleginnen. Ich lernte aber bald mit Stolz auf diese und ähnliche Episoden zu reagieren. Es war auch mein erster Schritt zum Zionismus.

Dazu ist auch zu sagen, dass Mutti bei ihren Gute-Nacht-Erzählungen immer betonte, dass wir Juden sind, also anders als der Durchschnitt unserer Gesellschaft. Sie erzählte von Herzl und seinem Judenstaat und betonte auch immer, im Gegensatz zu Vati, dass es auch ihr Traum wäre, einmal nach Erez Israel, dem eigenen Staat zu kommen. Dies ist ihr ja später mit der Flucht geglückt.

Etwa um diese Zeit war es, dass uns Vati vor Weihnachten vor die Entscheidung stellte, ob wir Weihnachten oder Chanukka feiern wollten. Einstimmig entschieden wir Kinder uns für Chanukka! Aber ich muss gestehen, dass es mir viel Freude machte, wenn ich den kleinen Weihnachtsbaum für unsere Hausgehilfin schmücken durfte.

Baden ist auch heute noch eine sehr beliebte Sommerfrische und ein Kurort mit großem Spielkasino, Kurpark und vielen alten Häusern. Und man könnte sich leicht vorstellen, dass Beethoven, Mozart oder andere Berühmtheiten, die sich viel in Baden aufgehalten haben, plötzlich aus einem dieser Häuser herauskämen und uns gegenüber stünden.
Der Kurpark ist wunderschön und sehr gepflegt. Noch als ziemlich kleines Mädchen durfte ich mit meiner Familie auf den “Aninger”, den Hausberg von Baden, steigen. Dies musste für mich ein sehr großes Erlebnis gewesen sein, wenn ich mich heute noch daran erinnere. Das Helenetal mit seinen Ruinen ist unvergesslich und ich sehe es noch des Öfteren im Traum vor mir. Besonders schön war es, wenn Vati uns mit einem “Fiaker” (Wagen von zwei Pferden geführt, Kutscher hoch am Bock) dort spazieren und zu einem Gläschen Bier ausführte

Wir bewohnten in einer großen Villa das ganze untere Stockwerk. Der Salon war der Mittelpunkt und man konnte auch aus dem Garten über eine Anzahl Stiegen und eine kleine Vorterrasse direkt ins Haus. (Diese benutzten seinerzeit die Einbrecher.) Links ging es in einen Vorraum, wo das Telefon an der Wand hing, damals noch eine Seltenheit, und dahinter befand sich ein großes Badezimmer. Vom Vorraum kam man rechts in das Schlafzimmer der Eltern, wo auch ich schlief. Links war das Zimmer meiner beiden Schwestern. Rechts vom Salon, zum vorderen Garten zu, war das geräumige Speisezimmer und außerdem kam man in einen langen Gang, wo sich zunächst der Haupteingang zu unserer Wohnung befand, der aber auch zur Küche, der Vorratskammer und der Wohnung des Dienstmädchens führte. Hinter dem Salon befand sich eine große Glasveranda mit vielen Blumenstöcken. Hier spielte sich Sommer und Winter das alltägliche Leben ab.
Von der Terrasse kam man über eine breite Treppe in den Garten. Hier hatten wir einen sehr großen Spielplatz mit Schaukel, Sandkasten und allem, was das Herz begehrte. Dahinter erstreckte sich ein riesiger Obstgarten und auch der Hausbesorger wohnte dort rückwärts. Zur Strasse gab es einen schönen, großen Vorgarten mit Brunnen und vor allem zwei riesige Tannen, eine vor dem Speisezimmer und die andere vor dem Fenster des Kinderzimmers.

Ein weiteres Erlebnis aus meiner Schulzeit ist mir fest in Erinnerung geblieben: Mir war das Essen nie sehr wichtig und besonders in der Früh vergaß ich gern mein Frühstück. Mutti ließ dies nicht gerne zu und so kam eines schönen Tages, so gegen zehn Uhr, unser Mädchen in die Klasse, in der Hand mein Frühstücksbrot, entschuldigte sich beim Lehrer und erklärte ihm die Sachlage – zum großen Gelaechter aller Mitschülerinnen – und ich wünschte mir der Boden möchte sich öffnen und mich verschlingen. Ich habe mein Frühstücksbrot nie mehr vergessen!
Die Schule lag in der Pfarrgasse, sehr nahe am Kurpark und dem Kursalon und unterhalb des Aningers. Der Schulweg – für damalige Verhältnisse recht weit – führte über den Hauptplatz nach Süden, über die Schwechatbrücke in die Vöslauerstrasse am Dobbelhof vorbei und weiter in die Elisabethstrasse.
An der Schwechat war ein Greisler, bei dem wir uns des Öfteren eine Schinkensemmel holen durften  (unser Haushalt war nicht koscher). Auch eine Konditorei befand sich dort und wir waren immer wieder da, auch mit den Eltern. Wir waren gerne lustig und lachten viel, weshalb wir von den Besitzern die “Lachtauben” genannt wurden.

In Baden absolvierte ich die vier Jahre Volksschule und zwei Jahre Mittelschule, wobei ich im zweiten Jahr für einige Monate in Wien in der Albertschule war. Denn meine Eltern beschlossen von Baden nach Wien überzusiedeln. All die Jahre war Vati nach Wien ins Büro gefahren. Aber nun mussten auch beide Schwestern, die nicht mehr schulpflichtig waren und in Wien die von ihnen erwünschten Berufe erlernen sollten, täglich nach Wien. Trude, die Ältere, war an der Schauspielschule und Loli lernte am Konservatorium Tanz und Gymnastik.
So waren wir zunächst in einer Pension im achten Bezirk, um auszuprobieren, wie uns die Großstadt gefiele und auch um uns nach einer geeigneten Wohnung umzuschauen. Ich wurde probehalber einige Monate dort zur Schule geschickt. Aber als wir dann endgültig umsiedelten, musste ich, so komisch es auch klingen mag, – bis Ende des zweiten Schuljahres mit der uns gegenüberliegenden Südbahn nach Baden fahren. Meine Eltern wollten nicht, dass ich innerhalb eines Jahres zweimal die Schule wechseln musste.

Bald nach der Übersiedlung erlitt ich einen schweren Nervenzusammenbruch, hervorgerufen durch einen Aufstand der damals noch illegalen Nazis in St. Pölten. Heute ist es mir unbegreiflich, wieso ich als noch ziemlich junges Mädchen, etwa neun bis zehn Jahre alt, bereits verstanden habe, eher gefühlt habe, was für ein Unglück diese Bande für das jüdische Volk einmal bedeuten würde.

Wir bezogen in Wien am Wiednergürtel im sechsten Stock eine schöne große Wohnung. Und dennoch, die ganze Wohnung wäre in den Badener Salon hineingegangen. Wir hatten Lift, aber nur zum Hinauffahren. (Später, als Mutti schwer erkrankte und sie den Lift auch zum Hinunterfahren benutzen musste, hatten wir viele Auseinandersetzungen mit dem Hauswart und nicht nur einmal schrie er uns “Saujuden” nach.) Die Aussicht war herrlich: Schweizer Garten, Belvedere, die beiden wichtigen Bahnhöfe Süd- und Ostbahnhof, mit einem Rosengarten dazwischen, und das Arsenal. (Die Gegend sieht heute ganz anders aus. Das Haus wurde ausgebombt und die zwei Bahnhöfe wurden zu einem riesigen Bahnhof vereint.)
Ich wurde in die nahe gelegene Mädchenschule des Frauenerwerbsvereins eingeschult, obwohl ich schon damals als Zionistin, wozu Mutti uns erzog, gerne auf das Chajesgymnasium gegangen wäre. Das Einleben war zunächst recht schwierig, da die meisten Mädchen schon sechs Jahre zusammen waren und es richtige Freundschaftsgruppen gab. Da ich aber eine gute Schülerin war, gerne bei Schulaufgaben meinen Kolleginnen half und – in der ersten Reihe sitzend – auch fleißig einsagen konnte, wurde ich von den Mädels bald akzeptiert. Es entstanden richtige Freundschaften und ich stehe auch heute noch mit manchen von ihnen in Kontakt.
Mir war ihre politische Einstellung bekannt. Sie machten daraus vor mir kein Hehl. Sie akzeptierten mich als “stolze Jüdin” und ich konnte vieles verstehen, denn es ging den Menschen in Österreich damals sehr, sehr schlecht. Ich möchte hierbei auch noch bemerken, dass nach dem Anschluss 1938, als die Mädels am eigenen Leibe erfuhren, was der Nazismus war, die meisten aus dem BDM, der nationalistischen Jugendbewegung für Mädchen flogen. Dies vorweg genommen!
Die Schulzeit war für mich eine sehr, sehr schöne Zeit. Ich bin sehr gerne in die Schule gegangen, meist schon eine Stunde früher als notwendig. Manchmal ging ich von sechs bis sieben Uhr Tennis spielen, auch wenn ich es in diesem Sport nicht sehr weit brachte. Die Schule, die ich besuchte, hatte verschiedene Zweige. Neben Gymnasium und Realgymnasium auch eine Hauswirtschaftsschule und Kurse für Säuglings- und Kinderpflege. Ich ging in das Realgymnasium, lernte also neben den realen Fächern auch Englisch und Latein.
Wir waren als “sehr gute Klasse” bei den Lehrern beliebt und dies ermöglichte uns ungestraft allerlei Unfug zu treiben. So sollten wir einmal zwei Stunden hintereinander ausnahmsweise Deutschunterricht haben. Wir hatten die Professorin nicht allzu gerne und absolut keine Lust zwei langweilige Stunden über uns ergehen zu lassen. So beschlossen wir, wir müssten die Klasse gründlichst reinigen. Die Tische wurden auf den Kopf gestellt, der Boden mit einigen Eimern Wasser überschüttet. Das Entsetzen der Lehrerin war groß, aber machen konnte sie nichts, denn das Klassenzimmer war in diesem Zustand unbrauchbar. Und so tat sie das vernünftigste, fing laut an zu lachen und wir räumten fleißig! Manchmal klebten wir auch Krachnüsse auf die Stühle. Nun, was geschah, wenn sich jemand setzte, muss ich kaum schildern. Aber es entstand eine gute Atmosphäre!
Mein Lieblingsfach war die Chemie. Wie sagte dies mein Schwager – Schwester Trudi hatte in der Zwischenzeit bereits geheiratet und lebte in der Steyermark in der Nähe von Graz – “Was der Punkt ist für das i, ist für Anitta die Chemie.” Dazu kam noch, dass wir eine ganz junge Lehrerin hatten. Wir waren ihre erste Klasse und waren mit ihr richtig “befreundet”. Ich durfte – zu meiner größten Freude – sehr oft im Laboratorium helfen und das Material für den Unterricht vorbereiten.

Bald nach der Übersiedlung nach Wien, in den Ferien der dritten Mittelschulklasse, ergab sich Im Sommer 1931 die Möglichkeit eines Jugendaustausches: “Meeresstrand – Alpenland”. Und obwohl knapp zwölf Jahre alt, erlaubten mir meine Eltern teilzunehmen. Es kam für einen Monat ein deutsches Mädchen zu uns und dann fuhr ich ebenfalls für einen Monat nach Deutschland. Das erste Mal kam ich nach Stettin und lernte die Gegend an der Ostsee und die Insel Rügen kennen. Das zweite Mal fuhr ich nach Wesermünde, besuchte die Nordsee und die Insel Helgoland. Diese beiden Sommerferien waren für mein ganzes Leben ausschlaggebend. Vor allem wurde ich dadurch sehr früh reif und selbständig. (Die anderen Teilnehmer waren etwa 16 Jahre alt. Auch meine beiden Tauschschwestern, die übrigens beide Gisela hießen, waren drei bis vier Jahre älter als ich.) Außerdem lernte ich andere Sitten kennen und schätzen. Auch das Essen war anders als von zu Hause gewohnt. Deshalb war es aber nicht weniger gut! Ich lernte fremde Dinge zu schätzen und vor allem lernte ich Toleranz!

Für Trudi, meine ältere Schwester, war ich wohl ein ziemlicher Quälgeist, denn ich wurde als “Anstandsdame” auf die Spaziergänge mit ihrem Bräutigam geschickt. Und dann ging ich hinter ihnen her und sang: “Ich möcht’ so gerne wissen, ob sich die Fische küssen!” Nun, sicher keine große Freude für das Brautpaar.
Ich war schon damals öfter und ernstlich krank. So konnte ich in der fünften Klasse drei Monate nicht zur Schule. Ich kam wieder zur Schule, als es gerade Zensuren gab. Ich bekam mein Zeugnis und hatte von oben bis unten nur “genügend”. Ich war empört und fand dies ungerecht. Verstanden hätte ich noch, wenn man mir keine Noten gegeben hätte. Aber ohne jede Prüfung und ohne jeden Grund nur schlechte Noten, das ließ ich mir nicht gefallen! Ich gab das Zeugnis der Klassenlehrerin sehr empört zurück. Darauf entgegnete diese: “Sind sie bereit, sich in allen Fächern sofort und jetzt prüfen zu lassen?” Ich war einverstanden, mit dem Ergebnis, dass ich nunmehr ein Zeugnis mit fast ausschließlich “sehr gut” hatte. Sprachen habe ich nie geliebt, daher auch nicht lernen wollen. Und so hatte ich wohl in diesen beiden Fächern weniger gute Noten. Obwohl ich oftmals zur Direktorin gerufen wurde und diese mir erklärte, dass ich doch mit wenig Mühe eine Vorzeigeschülerin sein könnte, blieb ich dabei, dass es vollkommen genug sei, in allen humanistischen Fächern zu brillieren. Dafür habe ich später sehr viel bezahlen müssen!!! Denn auf der Flucht und im täglichen Leben brauchte ich Sprachen.
Als Kuriosum möchte ich noch bemerken, dass bis über die vierte Mittelschulklasse, also bis zu unserem 14. Lebensjahr, wir mit “du” und Vornamen vom Lehrkörper angesprochen wurden. Von da an aber hieß es “Sie” plus Familienname. Außerdem durften wir uns jetzt schminken, Lippenstift und Nagellack verwenden. Natürliche haben wir das alle genutzt. Auch ich, aber nur für dieses eine Jahr.
Aber es gab auch Dinge, die mir frühzeitig beibrachten, dass Österreich keine Heimat für mich ist. Wir hatten für ein Preisausschreiben des Schulministeriums einen Aufsatz mit einem vaterländischen Thema, an den Titel kann ich mich nicht mehr erinnern, zu schreiben. Nach einigen Wochen kam unsere Professorin mit unseren Heften in die Klasse mit den Worten: “Berger, wenn sie Österreicherin wären (Wir hatten nämlich die tschechischen Pässe behalten, obwohl ich als Ausländerin dreifaches Schulgeld zahlen musste.), hätten sie den ersten Preis gewonnen. So aber müssen sie sich mit einem “sehr gut” begnügen.” Ich war, wie man sich vorstellen kann, empört, denn der erste Preis war eine schöne Reise durch Österreich.
So vergingen die Jahre. Ich war aktiv in der allgemeinen zionistischen Bewegung, machte viele Ausflüge, besuchte Theater, Konzerte und Opern (alles mit Abonnements) und hatte viel Gesellschaft ( Unter den befreundeten Jungs befanden sich drei Ottos und mein besonderer Liebling Rudi ), machte schöne Ferienreisen, jetzt meist mit meinen Schwestern und legte die Matura ab. Vieles hatte ich meinen Geschwistern zu verdanken, die für diese Dinge bereits gekämpft hatten und die mir nun zuflogen.
Als ich meine Maturaprüfung ablegte, war Vati gerade geschäftlich in Rumänien. Ich wollte ihm stolz dieses für mich sehr wichtige Ereignis brühwarm mitteilen. “Wieviele Nachprüfungen hast du noch?”, so nahm Vati die bestandene Matura auf. Ich war auf das Tiefste verletzt und werde dies auch nie vergessen. Vati konnte nicht verstehen, dass man neben Schule auch “leben” konnte. Und was mir noch viel näher ging, war, dass ich mir gewünscht hatte als Belohnung zur Weltausstellung nach Paris fahren zu dürfen. Daraus wurde nichts. Trudi und ihr Mann nahmen mich als Trostpreis auf den Großglockner mit. Natürlich war das auch sehr schön und von den Geschwistern sehr lieb gemeint, aber Ersatz für Paris und für eine Anerkennung seitens des Vaters war es nicht.
Ich inskribierte an der Wiener Universität Chemie als Haupt- und Mathematik als Nebenfach. Da aber Hitler seit 1933 an der Macht war und die Lage für uns Juden sehr trostlos aussah, beschloss ich – und es war auch der Wunsch meines Vaters – zunächst den Abiturientenkurs an der Wiener Handelsakademie zu belegen. Ich wollte für alle Eventualitäten einen Beruf in Händen haben.

1938 – Wien und die Auswanderung

Es kam das Schicksalsjahr 1938 heran. Weihnachten und Neujahr verbrachte ich auf einem Skiausflug in den Alpen, aber die Stimmung war schon nicht zu gut.
So merkwürdig es mir auch heute erscheint, so muss ich doch sagen, dass ich seit der Machtergreifung der Nazis in Deutschland immer ein ungutes Gefühl hatte. Ich verstand nicht, warum „meine Glaubensbrüder“ in Deutschland soviel durchmachen mussten, während es mir in Wien noch gut ging und – so seltsam es klingen mag – war ich richtig erleichtert, als nun auch Österreich unter die Naziherrschaft kam. Aber ich wusste natürlich nicht, was wirklich auf uns zukam.

Vati war in die Türkei berufen worden, wo er die Spinnereien und Webereien modernisieren sollte. Trude, die bereits 1936 geheiratet hatte – eine ganz große Hochzeit mit Kranzelherren und Damen, großes Essen usw. – lebte mit Jaquy (Jakob Rathasprecher) in der Steyermark und sowohl Mutti wie auch Loli waren zufällig zur Zeit des Anschlusses – 13. März 1938 – beim jungen Paar auf Besuch. Ich war auf Wunsch der Eltern – ich sollte nicht allein in der großen Wohnung zurückbleiben – bei Trudis Schwiegereltern einquartiert. Mit ihnen verstanden wir uns sehr gut und wir sprachen sie mit „Mama“ und „Papa“ an, weil wir unter uns Geschwistern keine Unterschiede haben wollten.

Am 13. März 1938 ist Hitler in Wien einmarschiert. Das Volk jubelte ihm entgegen. Und wir Juden? Die Österreicher ließen uns nicht lange warten. Sie hatten ganz besonders zynische Einfälle. So ließen sie Alt und Jung auf den Strassen knien und diese schrubben, rissen den frommen Juden, die es in Wien ja gab, an den Payes, oftmals rissen sie diese auch aus. Je mehr der arme, alte Jude schrie, desto größer das „Hallo“ der Rowdies. Sie schlugen uns, spuckten uns an und vieles mehr.

Zunächst wollte ich wissen, und es war auch Vatis Wunsch, was mit unserer Wohnung geschehen war. Ich ging um das Haus herum, habe mich aber nicht getraut es zu betreten, denn ich fürchtete mich vor dem Hauswart. Als Vati aber telefonisch energisch verlangte in der Wohnung nach dem Rechten zu sehen, blieb mir nichts anderes übrig, als nach oben zu gehen. Und siehe da, der Hauswart, der uns früher oft als „Saujuden“ beschimpft hatte, war sehr nett zu mir, tröstete mich und versprach mir, uns zu helfen und vor den Nazi-Rowdies zu beschützen, falls dies notwendig werden sollte. Und er hielt sein Versprechen:

Die Eltern hatten 1912 zu ihrer Hochzeit zwei Bilder, A.H. gezeichnet, als Geschenk bekommen. Diese hingen bei uns im Vorzimmer. Als Hitler zur Macht kam und man so manches über ihn erfuhr, auch dass er gemalt hatte, war Vati überzeugt, dass diese beiden Bilder von Hitler stammten. Damals dachte man noch nicht an eine Angliederung Österreichs und Vati hoffte nun mit diesen Bildern ein gutes Geschäft machen zu können und bot sie über einen Händler in Deutschland zum Verkauf an. Ob es ihm gelang oder nicht, wurde mir nie bekannt. Ich weiß nur, dass bald nach dem Anschluss zwei SS-Leute bei uns erschienen und nach den Bildern forschten. Sie gaben mir eine Woche Zeit, um bei Vati nach dem Verbleib anzufragen. Als sie wiederkamen, ließ sie der Hauswart zu meinem Glück nicht hinaufgehen und erklärte ihnen, dass „da oben ja nur alte Weiber wohnen“. Ich glaube, dass er mich vor einem schweren Schicksal bewahrt hat, denn die Männer hätten sich mit einem „ich weiß nicht“ nicht zufrieden gegeben.

Wenn ich meinen früheren Schulkameradinnen und Freundinnen auf der Strasse begegnete, bemühte ich mich ihnen aus dem Weg zu gehen. Ich wollte uns keine unangenehmen Situationen schaffen. Aber keine meiner Freundinnen ließ dies gelten. Sie kamen ganz bewusst jedes mal auf mich zu, begrüßten mich herzlichst und wechselten immer auch einige Worte mit mir, obwohl ich wusste, dass sie alle schon lange illegal der Nazi-Partei angehörten. Sie hatten sich darunter aber etwas anderes vorgestellt!

Mich duldete es nicht mehr an der Handelsakademie, auch wenn ich nicht ausgeschlossen wurde. Aber ich wusste, dass meine Freunde mich benötigten und ich wollte mit ihnen sein. So blieb ich sehr oft dem Unterricht fern. Der Direktor der Handelsakademie war sich meiner Situation bewusst, rief mich zu sich und sagte: „Ihr werdet sicher bald an Auswanderung denken. Ich bin bereit dir ein Abschlusszeugnis zu geben, aber ich setze dir die Noten auf „gut“ herunter.“ Ich war sprachlos, ihm für diese Anregung sehr dankbar und nahm das Angebot selbstverständlich freudig an.

Von da an war ich für die Kameraden der Jugendbewegung zur Gänze frei. Jeden Morgen ging ich ins „Metropole“, dem damaligen Sitz der Zionistischen Bewegung, bekam die Liste, der bereits in den ersten Tagen und Wochen Verschollenen und ging auf die Suche. Ich sah schon in den ersten Tagen grausame Szenen: Mädchen wurden überfallen und vergewaltigt, ganze Familien in Kellerräumen an die Wand gestellt und erschossen, nachdem man sie vorher gut zugerichtet hatte und vieles mehr.
Ich konnte die Suche aufnehmen, weil ich zu dieser Zeit noch durch meinen tschechischen Pass geschützt war. Dies ging einige Zeit gut. Aber eines morgens kam ich zum Metropol, fand die Türen verschlossen und ein großes Hakenkreuz aufgemalt. Ich verstand nicht, was los war. Man hatte mir doch nichts am Tag vorher angedeutet. Also klopfte ich fest an das Tor und sagte meinen Namen. Da öffnete sich dieses, ein SS-Mann packte mich, zog mich hinein und erklärte mich als verhaftet. Und zu meinem Erstaunen befanden sich hier bereits viele meiner Freunde. Wir wurden der Reihe nach verhört und natürlich auch angepöbelt. Ich wollte zunächst keine Ausnahme sein und ließ meinen Pass in meiner Tasche. Aber meine Freunde überzeugten mich am späten Nachmittag, dass ich ihnen vielleicht doch behilflicher sein könnte, wenn ich hinaus ginge und an höheren jüdischen Stellen das Vorgefallene meldete. So nahm ich also meine Pass und wurde schnellstens entlassen. Die Nazis fürchteten sich noch vor außenpolitischem Einmengen und ich stand schließlich unter dem Schutz der tschechischen Gesandtschaft.

Ich muss auch noch bemerken, dass wir, meine Kameraden aus der Jugendbewegung, jeden Sonntag Ausflüge durch den Wiener Wald machten. Da es uns verboten war, deutsche Lieder zu singen, sangen wir fröhlich und lautstark hebräische Lieder.

Von Vati bekam ich täglich Anrufe und er beauftragte mich, soweit wie möglich unsere Sachen einzupacken, die Wohnung abzuschließen und mit Mutti und Loli nach Prag zu gehen. Ich lehnte dies strikt ab und erklärte, nur dann einzupacken, wenn wir alle – auch Trudi und Jaquy, der am meisten von uns allen gefährdet war, da er keinen tschechischen Pass besaß – die Einreise in die Türkei erhielten. Jede Woche kam einer der in Prag lebenden Onkel zu mir, um mich zu überzeugen, dass es das Beste sei, Vatis Auftrag zu erfüllen und in die „tschechische Heimat“ zurückzukehren. Es half alles nichts. Ich verstand meine Onkel nicht, die ja die Grenze passiert hatten und die hätten sehen können und müssen, welche Vorbereitungen dort schon für den nächsten Überfall – auf die Tscheoslowakei – getroffen wurden.

Nach einiger Zeit begriff Vati, dass er mich und wohl auch die anderen Familienmitglieder nicht überzeugen konnte und es blieb ihm nichts anderes übrig, als für unsere Einreise in die Türkei zu sorgen. Zu dieser Zeit war die ganze restliche Familie schon in Wien. In der Steyermark konnte man sich nicht mehr aufhalten. Der Antisemitismus war dort besonders stark. Mein Schwager versteckte sich jede Nacht woanders, da er als Österreicher mit keinerlei Schutz rechnen konnte.

Ich muss wohl einen sechsten Sinn gehabt haben, wenn ich damals als 19-jaehrige, entgegen dem Grossteil Österreichischer Juden, und eigentlich auch entgegen dem Grossteil der deutschen Juden und der Juden ganz Europas, verstanden habe, dass es für uns Juden in Europa keine Bleibe mehr gab. Hitler würde sich nicht mit Österreich allein begnügen, sondern wie schon früher die Gebiete am Rhein, auch in Zukunft ein Land nach dem anderen, das Sudetenland, die Tschechoslowakei usw., besetzen und dem Reich einverleiben. Es war mir auf irgendeine Weise klar, dass dieser Mann auch nicht vor einem Krieg zurückschrecken werde. Ich wollte auf keinen Fall zulassen, dass meine Teuren von Ort zu Ort flüchten sollten. Außerdem hatte ich bei meiner Tätigkeit – der Suche nach Freunden – erfahren., das glaubte ich zumindest, zu welchen Untaten diese Rowdies fähig waren.

Wie schon gesagt, wohnte Jaquy jeden Tag woanders, aus Furcht, gefasst zu werden. Tatsache ist, dass eines Tages SS-Leute kamen und unsere Wohnung „besichtigen“ wollten. Auch da beschützte uns der Hausbesorger und ließ sie erst gar nicht ein.

Endlich, Anfang Juni 1938, erhielten wir alle die Einreisebewilligung für die Türkei und auch Jaquy eine Arbeit in der Türkei. Wenige Wochen später verließ Jaquy Österreich per Flugzeug nach Athen. Trude wanderte eine Woche später über Italien aus. Und wir, Mutti, Loli und ich verließen Wien am 8.Juli 1938 mit dem Orientexpress.

Vor der Abreise wollte ich in einem jüdischen Geschäft am Donau-Kai Proviant für die Reise einkaufen. Die Geschäftsleute wollten mich nicht bedienen, weil vor dem Laden ein SS-Mann auf- und abging, mit einem Stempel, der besagte: „Dieses arische Schwein kauft bei Juden ein!“ Auf mein Drängen bekam ich aber doch die gewünschten Waren. Ich wartete also ab, bis der SS-Mann etwas weiter von der Geschäftstür entfernt war und sprang auf eine fahrende Tram auf. Mit dem Stempel auf der Stirn hätte ich aus Österreich nicht ausreisen können.

Am nächsten Tag fuhren wir ab: Mutti, meine Schwester Loli und ich. Wir hatten nur zwei Schlafwagenbetten, also schlief eine Nacht Loli, die andere Nacht ich mit Mutti. Wir waren glücklich, sobald wir die österreichische Grenze passiert hatten. Unterwegs hatten wir auch die Möglichkeit in den Hauptstädten, die wir passierten, auszusteigen und uns etwas anzusehen. Viele Erinnerungen habe ich an die Reise nicht. Mir viel nur auf, wie provinziell mir damals Sofia, die Hauptstadt Bulgariens, erschien.

DIE TÜRKEI

In Istanbul angekommen, brachte uns Vati in einer kleinen, europäisch wirkenden Pension unter. Er erklärte uns noch am selben Abend, dass er nicht die Absicht hätte in der Türkei zu bleiben. Im Orient und mit dieser Mentalität könnte er nicht leben. Er beabsichtigte in die Tschechoslowakei zurück zu kehren. Wir sollten nunmehr sehen, wie wir durchkämen. Vati wollte auch Mutti mit zurück nehmen. Aber da erhoben wir alle Einspruch. Ich im Besonderen, denn ich war in keiner Form gebunden – Loli war verlobt – und versprach für sie zu sorgen. Ich erklärte, dass Mutti, die damals an schweren Ulkussen litt, nur ein Hindernis für in wäre, falls er vor den Nazis flüchten müsste. Ich erzählte Vati auch von meinen Erlebnissen aus den diversen Wiener Kellern, die ich bis dahin verschwiegen hatte – ich wollte ihn von seinem Beschluss abbringen – , aber Vati wies diese als „Kinderphantasien“ zurück und verließ uns. Damit brachte er uns in große Schwierigkeiten. Wir erhielten immer nur für einige Wochen die Aufenthaltsbewilligung und standen unter ständiger polizeilicher Beobachtung.

Nun lernten wir die Türkei und die Mentalität ihrer Buerger kennen. Für uns Frauen war es unmöglich allein – auch tagsüber – in den Strassen spazieren zu gehen, ohne von den türkischen Männern angerempelt zu werden oder alles Mögliche nachgerufen zu bekommen. So beschlossen wir bald, nur alle gemeinsam, zu viert, auszugehen. Sobald wir das Haus verließen, verfolgten uns mindestens zwei Sicherheitsbeamte auf Schritt und Tritt. Die Türkei war zur damaligen Zeit ein ausgesprochener Polizeistaat und Ausländer waren nicht sehr erwünscht und immer verdächtig. Sie alle benötigten Aufenthaltsgenehmigungen, je nachdem für Tage, Wochen oder Monate.

Wir beschlossen, dass eine Bleibe in der Pension nicht möglich sei und begaben uns auf Wohnungssuche, zumal wir auch drei Lifts – zwei von Trude, einen von uns – erwarteten. Wir fanden im Zentrum von Galata eine große Acht-Zimmer-Wohnung.

Von unserer Wohnung konnten wir beobachten, wie die Türken mit bloßen Füssen den Teig für Brot in einem riesigen Bottich zubereiteten. Nicht sehr appetitlich! Überhaupt war die Stadt, die ja sehr interessant und schön ist, mit all ihren Moscheen und orientalischen Gebäuden, von allen Seiten von Wasser umgeben und auch geteilt, nicht sehr sauber. Es war sehr lärmend und immer überfüllt. Vor allem die Autobusse, in denen sich die Weiber mit ihrer Kinderschar und auch dem Geflügel auf allen Bänken und auch am Boden breit machten, so dass ein Durchkommen kaum möglich war und man mit Sicherheit keinen Sitzplatz fand. Auch auf den Trittstufen haben die Menschen noch gehangen. Es schien uns lebensgefährlich und ganz und gar unverständlich.

Noch in der Pension lernten wir Zeew Haller, einen Tabakfachmann aus Jerusalem, der in Vatis Alter war, kennen und freundeten uns mit ihm an. Immer, wenn die Not bei uns am Größten war, tauchte Herr Haller bei uns auf und war der rettende Engel.

Unsere Wohnung, eingerichtet mit dem Inhalt der Lifts, diente gleichzeitig auch anderen Flüchtlingen. In den drei Jahren, die wir in der Türkei verbrachten, war die Wohnung immer voll, aber Geld haben wir wenig daraus gewonnen.

Zunächst wollte ich aufgrund meiner Ausbildung eine Bürostelle in Istanbul annehmen. Ich sah aber bald ein, dass ich in einem Büro nicht einmal für meinen eigenen Lebensunterhalt sorgen konnte. Und da in der Türkei deutsche Erzieherinnen sehr gesucht waren, beschloss ich eben als Erzieherin zu arbeiten, auch wenn es Mutti sehr weh tat und sie viele Tränen vergossen hat, wenn sie uns in den Parkanlagen traf (Auch Loli hatte diese Beschäftigung angenommen.). Als Erzieherin konnte ich um 50 Prozent mehr verdienen, hatte zusätzlich freie Station und Verpflegung, konnte also mein ganzes Gehalt meiner Mutti zur Verfügung stellen.

Wir waren zunächst in Istanbul und wie die Zufälle manchmal sind. Konnte ich eine Stellung in einem jüdischen Haus mit einem vierjährigen Mädchen, das auch „Anitta“ hieß, annehmen. Ich glaubte, dass unsere „jüdischen Glaubensgenossen“ Verständnis für uns, die wir schließlich Flüchtlinge waren, aufbringen würden. Dies war allerdings ein großer Irrtum. Obwohl die Leute über mich Bescheid wussten, wurde ich wie eine Dienerin behandelt, durfte nebst der Betreuung des Kindes aushelfen, wenn Gäste kamen. Aber sobald die Gäste kamen, wurde die Tür zu meinem Zimmer geschlossen und die Gästezimmer waren für mich “out of bound“. Die „Dame“ und Mutter lag den ganzen Tag auf dem Bett und tat nichts außer Befehle zu erteilen. Zwei Stunden vor der Rückkehr des Gatten schminkte sie sich und beschüttete sich mit Parfümen. Für den Mann musste man schön sein und gut riechen. Vom Waschen oder Baden hielt man hingegen wenig.

Da sich bald eine Gelegenheit ergab, ein bedeutend höheres Gehalt zu bekommen und da es sich bei diesem Angebot um die Familie des „Chef de Protocol“ handelte – ein hoher Regierungsbeamter, der mich vor einer Ausweisung schützen konnte – griff ich mit beiden Händen zu. Dort hatte ich einen zehnjährigen Jungen zu betreuen (Man hatte mir bei den Besprechungen seinen Namen nicht verraten, weil er für seine Ungezogenheit berüchtigt war.) und wurde, im Unterschied zur früheren Familie, richtig verwöhnt. Es gab noch eine alte Großmutter, die dafür sorgte, dass die Wäsche in Ordnung gehalten wurde. Jeden Abend fand ich eine Schüssel von bestem Obst in meinem Zimmer. Hier hatte ich ein eigenes Zimmer neben dem Zimmer des Jungen. Und jeden Morgen wurde ich gefragt, was ich für mich und den Jungen zu Mittag haben möchte. Da ich selber noch recht jung war, kam ich mit dem Junge, Ali, fantastisch aus. Wir lernten zusammen, spielten, boxten, rannten um die Wette und vieles mehr. Schwierigkeiten gab es nur beim An- und Ausziehen. Waschen war unbeliebt, baden sogar „verboten“. Und das Wechseln der Wäsche, besonders der Höschen, war für recht unnötig gehalten.
Im Sommer bewohnte die Familie eine große Villa jenseits des Bosporus und im Winter waren wir in Ankara, der modernen und neuen Hauptstadt der Türkei. Wir wohnten im elegantesten Hotel, dem „Ankara-Palast“. Hier hatte ich auch die Gelegenheit an vielen, sehr interessanten Begebenheiten teilzunehmen. So sah ich das Begräbnis des sehr beliebten Atatürks und hörte das echte Weinen und Jammern der Bevölkerung. Auch bei Staatsempfängen konnte ich mit dem Jungen mit auf der Tribüne teilnehmen.

Eines Tages fragte mich der „Herr Chef de Protocol“, warum ich mein Zimmer nachts absperre, ich solle es doch offen lassen! Da wurde mir nicht sehr wohl zu Mute und ich suchte nach einer passenden Gelegenheit aus dem Hause zu kommen ohne meiner Familie zu schaden. Diese Gelegenheit ergab sich mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, Anfang September 1939. Ich erklärte, dass ich befürchten müsste, von meiner Familie getrennt zu werden, weil der Bosporus unpässlich durch den Krieg werden könnte. Und dies wollte ich auf keinen Fall riskieren! Diese Begründung fand man auch akzeptabel und ich verließ meine Stellung.

Wir waren bekannt und gesucht und so bekam ich sehr rasch wieder eine Stellung. Diesmal bei Armeniern, wo ich für ein sechsjähriges Mädchen und einen halbjährigen Jungen zu sorgen hatte. Ich liebte diese Kinder ganz besonders. (Und anscheinend wirkte sich das auf meine Kinder aus, denn als ich später Bilder von den beiden armenischen Kindern zeigte, waren sowohl meine Kinder, aber auch Freunde davon überzeugt, dass es meine beiden Töchter wären.) Die Armenier hatten selbst ein schweres Schicksal hinter sich, verstanden meines sehr gut und benahmen sich dem entsprechend. Bei Empfängen war ich selbstredend Gast und nicht Bedienstete und der Hausherr eröffnete mit mir den Tanz. Auch hier gab es eine Großmutter, die mir alle unangenehmen Arbeiten abnahm und ich wurde von allen als Lady behandelt. Besonders entgegen kam man mir, nachdem ich  – entgegen der Diagnose des Arztes – beim Baby eine Mittelohrentzündung festgestellt hatte. Ich gab es eine Woche lang Tag und Nacht nicht aus den Händen, legte ihm heiße Umschläge mit Mehl auf das Ohr und tropfte ihm Öl ein, bis der Eiter zu fließen begann und das Fieber nachließ. Ich hatte das Baby wirklich gerettet, denn der Arzt wollte das Baby auf Lungenentzündung behandeln und heiße Gläser auf den Rücken ansetzen, was ich nicht erlaubte. Woher ich damals die Frechheit besaß gegen einen Arzt aufzutreten, weiß ich nicht. Aber das Ergebnis hat mir recht gegeben. Und es lässt sich leicht erklären, warum ich bei den Eltern einen „hohen Rang“ einnahm.

Soviel zu meinen Arbeitsplätzen

Aber das Leben in der Türkei war wirklich kein Honiglecken! Die Türken wechselten ihre Stellungnahme gerne und oft: Waren sie mit den Deutschen, wurden wir als Juden verfolgt. Gingen sie mit den Engländern, waren wir die „verhassten Deutschen“. Immer verfolgt und unter ständiger Polizeibewachung. Manchmal gingen sogar drei Polizisten hinter uns her. Alle paar Wochen mussten wir uns bei der Polizei melden und bekamen immer nur eine Aufenthaltsgenehmigung für drei Monate. So lebten wir eigentlich immer unter Angst – bis Chanukka 1940. Loli und ich waren allein zu Hause und wollten gerade die ersten Lichter entzünden, als es klingelte. Vor der Tür stand ein Polizist mit der Ausweisung; zunächst für Loli, zwei Tage später auch für mich. Die hieß, dass wir innerhalb von zwei Wochen das Land verlassen mussten. Wohin war der türkischen Regierung völlig egal. Und es hinderte sie auch nichts daran, Juden, trotz Schnee und Kälte, an der bulgarische Grenze, im Niemandsland, abzusetzen.
Wir wollten Mutti zunächst nichts sagen und sie nicht aufregen. Jaquy nahm sich frei, ich schlief bei meinen Kindern, konnte aber das Haus zeitig früh verlassen. Und so begann ein Laufen und Telegraphieren, um Protektion zu finden, besonders durch den jüdischen Zahnarzt von Atatürk. In letzter Minute bekamen Loli und ich die Aufenthaltsgenehmigung wieder. Wir waren derart benommen, dass wir den Beamten zunächst nicht verstanden, bis er uns sagte: „Nun geht doch endlich nach Hause!“

Auch da zeigte sich die Güte und das Verständnis meiner Arbeitgeber: Sie ließen mich nicht nur bei sich wohnen und essen, sie waren auch bereit, mir mit jeder Summe Geld auszuhelfen, wenn es nötig geworden wäre.

Noch wusste Mutti nichts von der Ausweisung. Ich aber hatte genug. Als einzige hatte ich noch die Möglichkeit ein Studentenzertifikat zu erhalten und nach Palästina auszuwandern. Ich nutzte diese Möglichkeit und ersuchte Herrn Haller für mich das Geld für zwei Jahre Studium an der Hebrew University zu erlegen und mich für Chemie einzuschreiben. Als nach sechs Monaten das Zertifikat eintraf, musste ich, ohne zu Wollen, Mutti von der Ausweisung erzählen und mich schweren Herzens dazu entschließen, die Familie auseinander zu reißen und nach Palästina zu gehen.

Meinen Arbeitgebern habe ich nichts von meinem Plan erzählt, sondern schützte Krankheit vor und bat, dass meine Schwester Trude, die damals keine Arbeit hatte, mich vertreten könne. Wir waren ganz einfach auf das Einkommen angewiesen und ich fürchtete, dass sie eine andere Erzieherin einstellen könnten. Aber verdient hatten sie dies wirklich nicht!

Auch meine Reise nach Palästina war nicht einfach. Ich brauchte noch ein Papier von der Polizei und dies konnte ich nur in Ankara bekommen. Daher beschloss ich, abends aus Istanbul fort zu fahren, früh die Sache in Ankara zu erledigen und am nächsten Abend auf dem Landweg über Anatolien und Syrien nach Israel weiter zu fahren.
Ich hatte die Papiere bald beisammen und wusste nun nicht recht, was mit dem Tag anfangen. Da erinnerte ich mich an zwei deutsche Frauen, Mutter und Tochter, die ich während meines Aufenthalts in Ankara kennen gelernt hatte und beschloss sie zu besuchen. Gedacht-getan! Als ich dort ankam wurde mir die Türe geöffnet und die ältere der beiden Frauen schrie mir entgegen: „Sie sind die Mörderin ihrer Familie! Sie werden ihre Mutter nie wieder sehen!“ Sie beschäftigte sich nämlich mit der Voraussage der Zukunft durch Karten. Und wie sie mir erklärte, könnte ich die Familie retten, aber nur, wenn ich in der Türkei verbliebe.
Ich war nie abergläubisch, aber eine Weiterreise mit dieser Voraussage war mir unmöglich und so beschloss ich nach Istanbul zurück zu kehren, „meine Mutti wieder zu sehen“ und damit die Voraussage zu widerlegen. Mein Zertifikat hatte noch zwei Wochen Gültigkeit. Und so kam ich am Abend mit hohem Fieber vor Aufregung in Istanbul an. "Mutterl" hatte nun gedacht, ich würde Palästina aufgeben und war doppelt betrübt, als ich nach zwei Wochen endgültig abreiste. Nie werde ich das Bild vergessen, Mutti, eine alte Frau – sie war nur fünfzig Jahre alt – , am Bahnhof stehend, weinend und mir winkend, während der Zug abfuhr.

Die Reise durch Anatolien, in voll gestopften Waggons, mit schmutzigen Arbeitern und Bauern – alle voller Läuse – und mit unzähligen Ziegen, Gänsen und Hühnern, in der Angst, man könnte mich bestehlen, war nicht gerade angenehm. Ich, eine europäische Frau, unter all diesen Menschen! Ich wagte es nicht einmal, mit Verlaub zu sagen, auf die Toilette zu gehen oder mir etwas zu essen zu beschaffen, saß nur ganz verstört und frierend in der Ecke des Waggons und hatte Angst, sehr große Angst. So ging es bis Aleppo. Dort endete die Eisenbahnstrecke, da sie im Krieg zwischen Palästina und Libanon, zwischen Engländern und Franzosen, die beide die Herrschaft über diese Gebiete haben wollten, zerstört worden war. In diesem Krieg hat übrigens Moshe Dayan sein Auge verloren.
Nach einer wundervollen Nacht, einem Spaziergang durch das auffallend saubere Aleppo, schlafen in einem sauberen Zimmer und Bett, wurden wir weiter per Taxi über Beirut an die palästinensische Grenze befördert.

In Aleppo fiel mir besonders das aktive jüdische Leben auf. Ich kam durch Zufall an der jüdischen Synagoge vorbei.
Beirut war damals eine herrliche Stadt am Meer und aufsteigend in die Berge, modern und elegant. Man konnte quasi den Reichtum der Bevölkerung spüren. Ich erinnere mich besonders an die riesigen Bananen, die man hätte kaufen können, hätte man das Geld dafür gehabt.

PALÄSTINA

Die palästinensische Grenze erreichte ich am frühen Morgen zusammen in einem Auto mit rumänischen Diplomaten am Grenzübergang bei Rosh Hanikra.
An der Grenze wurde mir von den englischen Soldaten befohlen das Auto zu verlassen. Die Diplomaten fuhren weiter – mit meinen beiden Koffern. Ich wusste nicht, was nun mit mir geschehen würde und war recht ungeduldig. Wegen des Krieges herrschte im ganzen Land Verdunkelung und ich wollte noch rechtzeitig in Jerusalem ankommen und mir eine Bleibe suchen. Ich hatte ja keinerlei Bekannte, die mich hätten aufnehmen können und zur Familie Haller wollte ich nicht. Ich wollte sie nicht mehr als notwendig beanspruchen.
Auf mein Drängen hin wurde mir mitgeteilt, dass ich nicht nach Jerusalem käme, sondern nach Atlith. Ich hatte noch nie etwas von Atlith gehört und fragte, wo das sei. Man antwortete mit: „Eine Stadt wie Haifa, nur etwas südlicher.“ Was sollte ich dort? Darauf wurde mir nicht geantwortet.
An der Grenze kam ein Beamter der Sochnut (Jewish Agency) auf mich zu und fragte, ob ich nicht wolle, dass meine Mutter erführe, dass ich gut in Palästina angekommen sei. Er wusste, dass ich zehn türkische Pfunde aus der Türkei mitnehmen durfte und versprach mir für die zehn Pfunde meine Mutter zu verständigen. Das Geld war also fort und meine Mutter bekam keine Nachricht.
Es verging die Zeit, es wurde Mittag und es gab kein Essen. Da gesellte sich eine junge Frau zu mir. Auch sie war mit Diplomaten in einem Auto gewesen, die man weiter fahren ließ, nur sie musste bleiben. Wir waren beide Jüdinnen, nur hatte ich einen gültigen tschechischen Pass, allerdings in Jerusalem ausgestellt und mit der Nummer: 1/4/1941, während die junge Frau mit einem abgelaufenen Pass und Visum ankam. Als Schicksalsgenossinnen stellten wir uns vor. Und so lernte ich Ala Begin kennen. Damals wusste ich noch nicht, wer Menachem Begin war. Es war dies der Beginn einer jahrelangen Freundschaft.
Wir warteten und warteten – es war bereits finster – als plötzlich ein mit Stacheldraht versehener Bus kam, an beiden Türen bewaffnete Soldaten. Wir wurden gepackt und in diesen Bus gestoßen. Wir wussten nicht, wie uns geschah!

Nach etwa ein- bis eineinhalb Stunden Fahrt im verschlossenen Bus kamen wir zu einem Lager, das mit hohen Wänden und Stacheldraht umgeben war. Atlith – „eine Stadt wie Haifa, nur etwas südlicher“. Hier – Mittlerweile war es etwa zehn Uhr abends. Wir hatten den ganzen Tag über weder gegessen, noch getrunken, ja kaum eine Sitzmöglichkeit gehabt – wurden wir von englischen Soldaten und Zivilisten verhört. Dabei benahmen sich die Engländer unter jeder Kritik unhöflich. Sie pöbelten uns an und machten ordinäre Anspielungen. ( Dabei beschloss ich, die ich mir fest vorgenommen hatte, nie mehr Deutsch zu sprechen, denn ich sprach Englisch und auch etwas Türkisch, dass wenn ich die Sprache dieser Rowdies beherrschte, auch ohne weiteres Deutsch sprechen konnte. Ich fand nicht viel Unterschied zwischen dem Benehmen der damaligen Nazis und dem der Engländer! ) Zuletzt wies man uns in eine Baracke ein. Aber wo schlafen? Es gab keine Betten, nur Holzpritschen und die waren alle besetzt. So mussten wir uns noch in finsterer Nacht von weit weg eine Holzpritsche besorgen – wir bekamen auch nur eine – und verbrachten die erste Nacht in Palästina zu zweit auf einem Holzbrett ohne Laken, Polster oder Decke!

Ich hatte schon in der Türkei Blinddarmanfälle bekommen, wollte mich dort aber keiner Operation unterziehen, denn weder die Spitäler, noch die Ärzte hatten einen guten Ruf. ( Es waren zwar viele berühmte deutsch-jüdische Ärzte in Ankara tätig, aber da ich mittellos war, konnte ich diese nicht aufsuchen. ) Wegen der anstrengenden Reise, der Aufregungen während der Fahrt, an der Grenze, im Lager und nun auch noch das harte Brett als Bett, bekam ich einen schweren Blinddarmanfall mit hohem Fieber. Die Krankenschwester wurde geholt und ich wurde am nächsten Morgen ins Lager-Krankenhaus gebracht.
Nun hatte ich wenigstens ein gutes und sauberes Bett und erhielt auch die entsprechende Diät. So hatte mein Blinddarm auch etwas Gutes für mich getan, denn die restlichen zehn Tage war ich im Krankenhaus und nicht in einer Baracke. (Übrigens war die uns zugewiesene Baracke für „legale Einwanderer“ zuständig…) Als der Arzt mich untersuchte, teilte er mir mit, wenn ich eine „Illegale“ wäre, müsste ich sofort operiert werden. Da ich aber eine „Legale“ war, dürfte man mich im Lager nicht operieren. Und er versprach mir, alles dafür zu tun, damit ich diese Zeit überlebte.
Nach zehn Tagen, mittlerweile ging es mir wieder recht gut, erfuhr ich, dass man mich für eine erst vor Kurzem aus Deutschland geschickte Spionin gehalten hatte. Es war den Beamten aufgefallen, dass ich einen in Jerusalem ausgestellten Pass mit der Nummer 14/4/1941 hatte und am 14. April 1941 zufälliger Weise an die Grenze kam. Vorsichtshalber hatte ich meinen alten abgelaufenen Pass, bevor ich ihn zur Verlängerung nach Jerusalem sandte, fotografiert, aber vergessen, auch das Blatt mit der Ausreise aus Österreich abzulichten. Da wurde es zu meinem Glück, dass die Türkei ein Polizeistaat war. Ich konnte auf den Tisch schlagend durchsetzen, dass man in Ankara telefonisch anfragte. Das genaue Datum meiner Ausreise aus Österreich und der Einreise in die Türkei wurde festgestellt – und ich wurde aus Atlith entlassen.

In Atlith war ich ohne Gepäck. Das war mit den Diplomaten in einem Hotel in Haifa geblieben. Ich hatte nur die Schreibmaschine, die mir Vati bei seiner Abreise aus der Türkei geschenkt hatte und eine kleine Tasche. Es gab in Atlith einen gewissen Herrn Ben Zwi, einen Beamten der Sochnut, der sich um die Olim (Einwanderer) kümmern sollte. Dieser liebe Beamte war nur bereit mir mit Geld auszuhelfen, wenn ich ihm diese Maschine überließe. Er versprach sie mir in Jerusalem zurück zu geben, sobald ich die Ausgaben für meine Fahrt beglichen hätte. Ich hatte keine Wahl, die Maschine ging als Pfand. Ich verlangte aber, dass der Beamte mich zunächst nach Haifa zu meinen Koffern bringe. Auch war ich nicht einverstanden von ihm eine Fahrt direkt nach Jerusalem bezahlt zu bekommen. Ich wusste, wenn ich einmal in Jerusalem angekommen wäre, würde ich aus Geldmangel nicht so schnell wieder etwas vom Lande sehen. Außerdem hatte ich eine Cousine in Ekron und sie wollte ich zunächst treffen.

Nun, ich fand meine Koffer in Haifa, am Carmel, bekam auch eine größere Summe Geldes und fuhr per Autobus nach Tel Aviv. Dort nahm ich mir ein Zimmer in einer kleinen, sehr schönen Pension und war glücklich zum ersten Mal in meinem Leben ein eigenes Zimmer zu haben. Dieses Glück währte aber nur einen Tag. Als ich nämlich Verwandte meines Schwagers, Ärzte in Tel Aviv, aufsuchte, wurde ich schleunigst aus der Pension geholt und konnte bei ihnen in der Praxis die wenigen Tage, die ich in Tel Aviv verbrachte, wohnen. Dies war von ihnen sehr, sehr gut gemeint!

Von hier aus setzte ich mich mit meiner Cousine Miriam (Gretl) und meinen Freunden aus der zionistischen Bewegung, die schon seit 1939 in Tel Aviv lebten, in Verbindung. Teils mit meinen Freunden, teils allein wanderte ich durch Tel Aviv und besuchte auch Jaffo. Das entsetzte alle Bekannten, denn sie hielten es für unmöglich in den arabischen Gebieten spazieren zu gehen. Ich wusste damals noch nicht viel von den im Lande herrschenden Unruhen.
Nach wenigen Tagen holte mich Miriam zu sich nach Ekron. Hier traf ich auch ihren Gatten Moshe, einen ganz famosen Mann, der aus Marokko stammte. Und ich verbrachte mit dem jungen Paar und dessen Familie einige sehr schöne und interessante Tage. Erst jetzt erfuhr ich von den vielen Schwierigkeiten, die Miriam bei ihrer illegalen Einwanderung über sich hatte ergehen lassen müssen: Gretel, wie wir sie zu Hause nannten, war aktives Mitglied des Betar, Wien. Sie hatte gerade die Schule beendet und war auf Arbeitssuche, als Hitler – die Nazis – Österreich im März 1938 besetzten. Es war für sie nunmehr selbstverständlich alles zu unternehmen, um nach Erez Israel – Palästina – zu gelangen. Da noch jung und unverheiratet, sah sie keine Möglichkeit ein Zertifikat zu bekommen und beschloss, wie auch ein anderer Cousin, sich einem vom Betar arrangierten illegalen Transport anzuschließen. Im Frühjahr 1939 traf man sich – soweit mir bekannt – an der Donau, traf mit weiteren Flüchtlingen aus der CSR zusammen und wurde auf einen kleinen Donaufrachter untergebracht. Dieser Frachter hatte keinen geschlossenen Raum, war mit dreimal so vielen Leuten wie zulässig besetzt, jeder hatte nur das Nötigste in einem Rucksack auf dem Rücken und es gab wenig Essen. Zunächst kam das Schiff nach Bulgarien. Man fand aber keinen Weitertransport und überführte die Gruppe nach Italien, wo sie monatelang auf einen Weitertransport warten musste. Der Transport stand unter Enzo Sereni. Als die Gruppe endlich ein altes, schon recht wackeliges Schiff auftreiben konnte, ging es Richtung Palästina. Hier war von den Engländern das berüchtigte „Weißbuch“ schon in Kraft, welches die Einwanderung stark einschränkte. So mussten die Leute des Transports das Schiff  nachts ziemlich weit von der Küste entfernt verlassen und durch das Meer wandern, damit sie nicht von den Engländern geschnappt und in ein Camp auf Zypern überführt würden. Auf der Wanderung durchs Meer gingen die wenigen Sachen, die sich meine Cousine aus Wien noch mitgenommen hatte auch verloren. Todmüde, völlig durchnässt und hungrig kam sie mitten in der Nacht ans Ufer, ich glaube in der Nähe von Netanja. Hier warteten Lastwagen und Kibbuzniks auf die Neuankömmlinge und man verteilte sie so schnell wie möglich auf die verschiedenen Kibbuzim. Dort wurden sie versorgt mit Arbeitskleidung, Nahrung und vor allem einem heißen Bad und ordentlichen Betten. Unter den israelischen Helfern befand sich auch ein junger Rabbiner aus Marokko, der an dem jungen blonden Mädchen Gefallen fand und bald nach der Ankunft konnte Gretl – bereits Miriam – heiraten und ihren eigenen Haushalt auf dem Land gründen. In Israel leben heute ihre drei Kinder, zehn Enkelkinder und vier Urenkel.

Als ich mich endlich auf den Weg nach Jerusalem machte, wurde beschlossen, mich nach Vadi Arad, an die Eisenbahnlinie von Ägypten nach Jerusalem zu bringen. Da es aber keinen Fahrplan gab, die Züge je nach Bedarf des englischen Militärs verkehrten, musste ich schon in der Früh mit einem Wagen – andere Verkehrsmittel gab es damals noch nicht – zur Bahnstation gebracht werden. Dort stand ich nun Stunde um Stunde, als einzige Frau unter englischen Soldaten und Arabern, und wartete auf das Züglein. Es gab nichts zu kaufen, nichts Essbares und auch nichts zu trinken – und das im Juni 1941 in Erez Israel! Es wurde später und später und war bereits finster, als endlich der Zug kam, in einem Land, das mitten im Krieg stand und in dem völlige Verdunkelung herrschte. Spät am Abend kam ich in Jerusalem an. Es war stockfinster, keinerlei Beleuchtung. Die Bahnhofsgegend war vollkommen arabisch und menschenleer. Kein Autobus, kein Taxi – nichts! Mit großer Mühe fand ich endlich einen Araber, der bereit war, mich mit seinem Wägelchen und Esel in den jüdischen Teil Jerusalems zu bringen. Aber wohin nun? Ich hatte hier niemanden, kannte kein Hotel und wusste nur, dass es hier ein Beit Hanna, ein Beit Olim, geben sollte. Nun, der Araber packte meine beiden Koffer, hob sie auf den Wagen, dann setzte er mich obendrauf und so fuhren wir in Jerusalem ein. Zu meinem Glück wusste der Araber auch, wo das Beit Hanna war. So kam ich im Finstern unter der Beleuchtung von Taschenlampen in das Heim. Es wurde mir ein Bett zugeteilt, in einem Zimmer, in dem noch drei weitere Frauen schliefen. Und ich glaube, die Heimmutter, eine Frau Brandt, fand sogar noch etwas zu essen. Meine Koffer musste ich allerdings in den Lagerraum geben und durfte nur eine Wäschegarnitur und ein Kleid zum Wechseln bei mir behalten.

Am nächsten Morgen ging ich auf die Suche nach Arbeit. Die Heimmutter erklärte mir den Weg zur WIZO , wo die größte Chance bestand Arbeit zu bekommen. Dort lernte ich zwei freundliche Damen kennen, die kleine, rundliche Frau Holländer, die Leiterin der WIZO-Bueros und auch Frau Eckstein. Nun wurde ich einem regelrechten Verhör unterzogen. Vor allem wollten die Damen wissen, wen ich in Jerusalem kannte und wer für mich eventuell garantieren könnte. Ich erklärte fest und steif niemanden in Jerusalem zu kennen und mich auf niemanden berufen zu können. Aber anscheinend war ich den beiden doch sympathisch, denn sie vermittelten mir eine Aushilfsstelle bei der jugoslawischen Regierung, draußen in Mantura auf dem Weg nach Bethlehem. ( Damals befand sich der jugoslawische Koenig auf der Flucht in Palästina. )
Ich hatte eine Angestellte, die Buchhaltung und Korrespondenz führte und für drei Wochen auf Urlaub ging, zu vertreten. Ich erhielt für diese Arbeit 9L, freie Station und Verpflegung. Das war ein fantastisches Gehalt, denn selbst Polizisten verdienten nur 6L und bekamen keine Verpflegung. Ich hatte ein wunderschönes Zimmer, mitten in einem Garten, sehr nette Kollegen und nicht all zu viel Arbeit. Was hätte ich mir Besseres wünschen können!

Nun, als echte Jeckin rief ich am nächsten Tag in der WIZO an, um mich für diese Stelle zu bedanken. Da fragte mich Frau Holländer, warum ich nicht erzählt hätte, dass die Tochter von Ussishkin, Frau Bodenheimer, mich und meine Familie aus der Türkei doch sehr gut kannte und ob ich denn nicht wusste, dass sie mit demselben Zug wie ich durch Anatolien nach Palästina gekommen wäre. Nein, dies hatte ich nicht gewusst und „Protektion“ wollte ich nicht haben!

Aus drei wurden sechs Wochen, aber dann waren die Urlaube vorbei und ich sollte zurück ins Beit Olim. Am letzten Tag rief Frau Holländer an und verlangte von mir eine Stelle bei Pinchas Ruthenberg anzunehmen. Dies musste ich schon tun, nachdem sie mir eine so gute Anfangsbeschäftigung verschafft hatte. Ruthenberg, Ingenieur der Elektrizität und Gründer des nach ihm benannten Werkes im Jordantal, war sehr krank. Er war deshalb im Hause seines Arztes, Doktor Dryfuss, in Jerusalem untergebracht, einer Wohnung bestehend aus 14 Zimmern und Nebenräumen. Er benötigte eine Hausangestellte, die kein Iwrith verstand, denn er führte noch sehr wichtige Verhandlungen mit berühmten Persönlichkeiten und das in ziemlicher Lautstärke. Aber über diese Verhandlungen durfte nichts nach Außen geraten. Wer war dafür geeigneter als ich?
Ruthenberg hat mich kaum zur Kenntnis genommen, kein Wort an mich gerichtet. Aber er ging jeden Tag durch die Zimmer und zeigte mir mit seinen Fingern, wo es noch staubig sei. Ja, von Hausarbeit habe ich damals wirklich kaum etwas gewusst. Die Arbeit war mir viel zu schwer und nach ein paar Tagen bekam ich wieder einen schweren Blinddarmanfall und kehrte ins Beit Olim zurück.
Dort machte ich nunmehr weniger angenehme Erfahrungen. Als das Fieber anstieg wurde ein Arzt, der im Nebenhaus amtierte, gerufen. Bevor er zu mir kam, hörte ich, wie er wissen wollte, wer denn eigentlich für seinen Besuch bezahle. Dann kam er an mein Bett und sah mit einer Taschenlampe in meinen Hals. Ich erklärte ihm, dass dies nicht mein erster Blinddarmanfall gewesen sei. Er aber erklärte: „Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute doch so nahe liegt: Halsentzündung!“ Dies war seine Diagnose und er befahl mir, ein Abführmittel einzunehmen. Als ich mich weigerte, erklärte mir die Hausmutter, ich könne das Beit Olim trotz Fieber gleich verlassen. Was blieb mir anderes übrig. Das Ergebnis war schwerer Durchfall und schon auf dem Weg zur Toilette wurde ich ohnmächtig. Ich nehme an, dass da die Leute verstanden, dass es klüger gewesen wäre auf mich zu hören. Natürlich konnte ich in diesem Zustand nicht im Beit Olim bleiben und wurde mit der Ambulanz in die Hadassa auf dem Berg Scopus gefahren. In der Hadassa lag ich nun völlig einsam und allein. Aber es war Usus, dass ein jüdischer Rabbiner die Kranken ab und zu besuchte und so kam er auch an mein Bett. Zufälligerweise war dieser Rabbiner genau wie ich aus Tschechien und versuchte nun alle paar Tage jemanden von seinen Freunden vorbei zu schicken und Freunde und Verwandte von mir ausfindig zu machen. Nachdem ich schon sehr ungeduldig war, bat ich ihn nach einem Cousin meines Schwagers zu suchen, der Polizist unter den Engländern war. Dieser konnte feststellen, dass man mich in der Hadassa bisher nicht operiert hatte, weil man nicht wusste, wer für die Finanzen aufkommen würde. Mich persönlich zu fragen, ist ihnen nicht eingefallen. Nachdem sie erfuhren, dass ich neu im Land war, also die Sochnut für mich zuständig war, wurde ich am nächsten Tag von einem ganz jungen Arzt operiert. Ich glaube, es war seine erste Operation. Noch heute besitze ich über den ganzen Bauch die Narbe. Später wurde dieser Arzt, Doktor Cook, ein berühmter Operateur. Als es mir schon besser ging, ging ich im Spital spazieren und besuchte andere Patienten. Dabei lernte ich eine alte Dame, Frau Moses, kennen, die fast blind war. Ich fand eine Aufgabe darin, sie jeden Tag zu besuchen und ihr aus der Zeitung vorzulesen. Es stellte sich heraus, dass es die Mutter des damaligen "Chef de Protocol" war. Bevor sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde, kam sie zu mir und lud mich ein, nach meiner Entlassung zwei Wochen zur Erholung bei ihr zu verbringen. Einen Tag vor meiner Entlassung besuchte mich ihre Schwiegertochter, um mir mitzuteilen, dass Frau Moses gestorben sei. Aber vorher hatte sie noch ihre Kinder beauftragt, mir zwei Englische Pfunde zukommen zu lassen, damit ich auf Erholung fahren konnte. Das war für die damalige Zeit sehr viel Geld und ermöglichte mir einen Erholungsaufenthalt in Netanya. Aber der Verlust dieser sehr reizenden alten Dame ging mir sehr nahe.

Wieder gesund, hatte ich die verschiedensten Arbeiten, teils in Büros als Aushilfe, teils im Haushalt oder mit Kindern.
Noch im Juli 1941 kamen Mutti und meine Geschwister mit den „freien Österreichern“ ins Land. Ich bewohnte damals bereits mit einer Studentin ein halbes Zimmer in Geulah und konnte, da diese mir ihren Anteil überließ, Mutti bei mir unterbringen. Die Geschwister wurden von den freien Österreichern in einem Hotel in der Mamillastrasse untergebracht. Damals waren Wohnungen in Jerusalem sehr knapp. Denn nach der Bombardierung von Tel Aviv hatten viele Tel Aviver in Jerusalem Zuflucht gesucht und gefunden.

In Geula, nahe Mea Shearim, also in einer sehr frommen Gegend, hatte ich ein lustiges Erlebnis: Beim Greisler (Makolet), wo ich stotternd hervor brachte, ich sei eine Neueinwanderin – Das war damals, während des Krieges eine Seltenheit. – und könne noch kein Hebräisch, fuhr man mich an: „Was für jiddische Kind seid Ihr, dass Ihr nicht Jiddisch sprecht!“

Nach längerem Suchen fanden wir in der Shmuel Hanavi Strasse 8  – an der Grenze zu den arabisch bewohnten Gebieten – ein Geschäftslokal, welches der Hauswirt bereit war umzubauen. So hatten wir schließlich zwei kleine Zimmer, ein Badezimmer zur Strasse hin und eine kleine Kochnische mit Primus neben der Eingangstüre. Trude und ihr Gatte bewohnten das Zimmer zur Strasse, mussten aber durch das Zimmer, in dem Mutti und wir beiden Mädels wohnten. Unser Zimmer war so klein, dass wir nur Unterschiebebetten hatten, einen Klapptisch, der nachts zusammen geklappt wurde, damit die Betten Platz hatten und ein Schrankgestell mit Vorhang, da für Türen kein Platz war.
Wir hatten schwere Zeiten, ungewohntes Klima, harte Arbeit und immer wieder Krankheiten, die mit dem Klima zusammen hingen. So hatte ich schwere Gelbsucht und war wochenlang arbeitsunfähig. Jaquy konnte viele Monate keine Arbeit finden und stand immer unter der Gefahr nach Kenia weiter transportiert zu werden. Aber wir waren glücklich, wenigstens die engste Familie, ohne Vati, zusammen zu haben und hatten ja aus der Türkei eine gute Vorschule.

Im Herbst 1942 nahm ich eine Stellung als Kellnerin bei der Firma Faberoff an. Dies war ein vegetarisches Restaurant mit noch einer Filiale in Tiberias. Auch im Haushalt war es kein Honiglecken, aber als Kellnerin konnte man wesentlich mehr Geld verdienen. Ich nahm zunächst die Stelle in Tiberias an und nutzte dies als Gelegenheit die Gegend um den See und der Galil zu durchwandern. Und gut kennen zu lernen. Ich hatte die Zusage, dass ich nach der Wintersaison in das Stammlokal in Jerusalem übernommen werde.
Das ungewohnte viele Brotschneiden, verursachte bei mir eine geschwollenen Hand und ich musste im Motia-Spital ohne Betäubung operiert werden. Als Ersatz für mich wurde meine Schwester Loli nach Tiberias gerufen. Und so konnten wir auch Mutti eine Weile bei uns haben.
Nie in meinem Leben habe ich so gefroren wie in Tiberias. Die Wohnungen waren auf Hitze eingestellt und Öfen gab es nicht. Aber für mich war es dennoch eine sehr schöne Zeit. Ich kam bei meinen Spaziergängen durch alle Kibbuzim der Gegend, wurde überall sehr freundlich aufgenommen und bewirtet, kam über alle Berge und auch durch eine Anzahl arabischer Dörfer. über die Besuche der arabischen Dörfer regten sich meine Chefs allerdings auf, denn es gab ja Unruhen.
Im Sommer 1943 kehrten wir – auch Loli – nach Jerusalem zurück und arbeiteten nun im Stammlokal in der Jaffo Strasse. Die Arbeit war schwer, große Tabletts voller Geschirr und Waren treppauf und treppab, aber sie war einträglich. Im Sommer nahm Herr Ingster, einer der Chefs, auch noch meine zweite Schwester Trudi zum Buffet auf. Als wir ihn darauf hinwiesen, dass doch nun keine Kontrolle mehr über uns herrsche, erklärte er uns: „Und wenn ihr zehn Schwestern wärt, ich würde euch alle ohne Bedenken einstellen. Zu euch habe ich vollstes Vertrauen.“

Selbst die Autobuschauffeure hielten ihre Wagen und kamen auf einen Drink gratulieren. Die Fahrgäste hatten nichts dagegen einzuwenden. Es waren noch andere Zeiten. Alles war familiärer, einer kannte den anderen, Jerusalem war noch klein.
Die Hochzeitsreise machten wir nach Achusa bei Haifa; eine Woche lang, dann musste Walter wieder zum Militär. Wieder zu Hause fand ich eine Wanne voller vertrockneter Blumen vor. Unsere Freunde und Bekannten fanden es richtig, uns zur Hochzeit Blumen zu schenken, obwohl sie wussten, dass wir nichts hatten und alles für einen, wenn auch nur kleinen Haushalt benötigt hätten.

Wie wir Später erfuhren, war Walters Schwester in der Zwischenzeit verheiratet und  nach Bolivien ausgewandert. Seine Eltern und sein älterer Bruder blieben in Deutschland., obwohl Walter alles tat, um sie zur Auswanderung zu bewegen. Sie kamen alle drei um.

Wir hatten noch keine eigene Bleibe und als Walter kurz nach unserer Hochzeit noch einmal auf Besuch kam, mussten wir ins Hotel gehen.

Noch im November 1944, also zwei Monate nach unserer Hochzeit, erhielt ich ein Schreiben des Militärkrankenhauses in Suez. Es wurde mir mitgeteilt, dass Walter sich in sehr schwerem Zustand befände und ich sofort nach Suez kommen solle.
Wie war dies zu machen? Ich hatte keinen Pass. Denn durch die Hochzeit hatte ich meine tschechische Staatsbürgerschaft verloren und die Einbürgerung in Erez Israel war zwar beantragt, aber noch nicht durchgeführt. Die Mandatsregierung erklärte sich bereit, mir ein „laisser passer“ auszustellen und mich mit einem Militärzug nach Ägypten zu bringen. Aber dies erlaubten sie auch erst, nachdem sie sich telephonisch davon überzeugt hatten, dass Walter noch am Leben war.
So fuhr ich also als einzige Zivilistin mit einem Militärzug. Immer wieder kamen fremde Jungs zu mir, um mir zu sagen, dass sie Kameraden aus Walters Kompanie seien, ihn im Krankenhaus besucht hätten, er aber ohne Besinnung sei und niemanden erkenne. Man kann sich leicht vorstellen, wie mir zu Mute war. Ich sollte mit dem Zug bis nach Kairo und von dort mit einem Militärtransport bis nach Suez gebracht werden. Ich hatte aber schon keine Geduld mehr, verließ in Ismalija die Eisenbahn und trampte zum Spital, obwohl mir dies strengstens untersagt worden war.
Die Ärzte und Schwestern, alles Engländer, empfingen mich sehr freundlich und waren mir mit jeder Hilfe zur Seite. Bevor ich zu dem Kranken ging, machten sie mich noch auf seinen schweren Zustand aufmerksam. Als ich zu Walter kam, hatte ich den Eindruck, er schliefe. So setzte ich mich leise an sein Bett. Die Freude war auf beiden Seiten groß, als er erwachte und mich auch erkannte. Ich blieb etwa sechs Wochen in Suez an seinem Lager und Walter erholte sich zusehends. Aber immer, wenn die Ärzte meinten ich könne jetzt nach Hause, erlitt er einen schweren Rückschlag und ich musste und konnte bleiben.
Ich war fast nur im Spital. Bei der ATS gab man mir die Möglichkeit zu Wohnen. Essen bekam ich Natürlich im Spital. Nur einmal fuhr ich auf Wunsch des Patienten, der gerne die berühmten Kuchen aus Kairo kosten wollte, eben dorthin. In Kairo besuchte ich Frau Galimir, eine angesehene Musikerin, die ich noch aus Wien, durch meine Cousine, kannte. Sie hatte aus Jerusalem nach Kairo geheiratet. Mit ihr verbrachte ich ein paar schöne Stunden, u.a. auch eine Schifffahrt auf dem Nil. Nach vier Tagen fuhr ich, mit einer großen Schachtel Küchlein, zurück nach Suez.
Weihnachten und Neujahr verbrachte ich zusammen mit dem Militär in der Kantine. Mitte Januar ging es endlich wieder an die Heimreise. An der palästinensischen Grenze stellte sich zu meinem großen Schrecken heraus, dass man mir in Jerusalem zwar die Ausreise bewilligt, aber nicht für meine Einreise gesorgt hatte. Hier muss ich betonen, wie anständig sich die englischen Offiziere in dieser Situation verhalten haben. Sie hielten den Zug, voll mit Soldaten, von denen fast alle auf Urlaub nach Hause wollten, für beinahe zwölf Stunden auf und fuhren erst weiter, nachdem sie aus Jerusalem die Einreisebewilligung für mich durchbekommen hatten.

In Jerusalem konnte ich weiter im Restaurant arbeiten. Sowohl meine Chefs, als auch meine Kollegen, mit denen ich noch lange in Kontakt stand, hatten vollstes Verständnis für meine Situation. Ich war oft sehr unruhig und bekam auch des Öfteren schlechte Nachrichten aus Suez. Von den Zuständigen des Militärs bekam ich aber erst wieder im April eine Möglichkeit  nach Ägypten zu fahren. In der Zwischenzeit suchte ich Wege und Menschen, die mir behilflich sein könnten, Walter nach Palästina zu überführen. Ich bekam Empfehlungsbriefe an Rabbiner Nathan, der beim englischen Militär für die jüdischen Soldaten in Kairo zuständig war. April  1945 fuhr ich also nach Ägypten und ins Spital, nutzte aber die Gelegenheit auch dazu, mir die Stadt und besonders den berühmten Basar anzusehen, obwohl “out of bounds“, da ich ja Zivilistin war.
Nach zwei Wochen war es so weit und die Überführung Walters ins HaSaft HaRofeh in Sarafand wurde vorgenommen. Ich durfte allerdings nicht mit ihm zusammen fahren.
Nun begann eine schwere Zeit für mich. Ich nahm meine volle Arbeit bei Faberoff wieder auf und fuhr, wann immer ich frei war, hinunter ins Spital. Dies war täglich anders, denn ich arbeitete in Schichten. Morgens von sechs bis vierzehn Uhr oder abends von vierzehn Uhr bis zum Schluss, manchmal auch geteilt, von sechs Uhr bis um zehn und dann wiederum von sechzehn Uhr.
Hier muss ich bemerken, dass sich unsere Egged-Busgesellschaft nicht sehr schön benommen hat. Sie war nicht bereit, mich von unterwegs mitzunehmen. Hingegen hielten die arabischen Chauffeure überall und immer, wenn sie mich laufen sahen. Und laufen musste ich immer, wenn ich Besuch, eineinhalb Stunden Fahrt und Arbeit unter einen Hut bekommen wollte.

In unserer kleinen ebenerdigen Wohnung hatte ich in dieser Zeit einige „lustige“ Erlebnisse: So kam ich eines nachts spät und müde Heim, machte kein Licht, um meine Familie nicht zu wecken und zog mich im Badezimmer für die Nacht um. Dann schlich ich mich leise in unser Zimmer und wollte in mein Bett. Aus diesem erhob sich plötzlich der Kopf  eines fremden Mannes. Meine Geschwister hatten Besuch bekommen. Und wie es damals so war, hatte man für Gäste immer Platz, auch in der kleinsten Hütte. Und so hatte man mein Bett dem Gast zugeteilt. Mir hatte man dies auch auf einem Zettel auf dem Küchentisch mitgeteilt und auch dass ich für diese Nacht in Trudes Zimmer schlafen sollte, aber den Zettel hatte ich im Finstern Natürlich nicht gesehen.
Ein anderes Mal, diesmal schaltete ich das Licht ein, fand ich eine ganze Mäusegesellschaft, auf unserem Tisch tanzend, vor. Was sollte ich tun? Ich überlegte nicht lange, fing sie einzeln mit der Hand und befreite sie aufs Feld.

Walters Zustand verbesserte sich langsam und er sollte entlassen werden. Bloß wohin? Ich hatte noch keine Wohnung. Da ergab sich der Zufall, dass Freunde, Amerikaner, die im selben Haus in einer Ein-Zimmer-Wohnung wohnten, zurück in den Kibbuz wollten. Sie wollten mehr Kinder haben und für mehr als eines war in dieser Wohnung kein Raum. Sie stellten mir freundlicher Weise diese Wohnung zur Verfügung Und sie übernahmen es auch alle drei Monate nach Jerusalem zu kommen und quasi die Miete zu bezahlen und zu „Mucharem“ die Wohnung auf ihren Namen zu verlängern. ( Im Lande war es Sitte zu Mucharem, einem arabischem Fest, das sich jedes Jahr um einen Monat verschiebt, die Mietverträge zu verlängern oder umzuziehen. Eigentumswohnungen waren in dieser Zeit eine Seltenheit. )
Wir hatten also eine Bleibe und mussten nun auf Arbeitssuche gehen. Aufs Land, wie wir es bei unserer Heirat geplant hatten, konnte Walter nicht mehr. Er wurde als 100-prozentiger Invalide von der Armee entlassen. Ich betone das „Wir“, denn Walter war sehr schüchtern und weigerte sich, alleine zu einem Vorstellungsgespräch zu gehen. Auch dabei hatte wir Glück. Welcher Arbeitgeber nimmt schon gerne Arbeiter auf, die nur gemeinsam mit ihrer Frau zu einem Interview erscheinen! Wir trafen im Arbeitsministerium einen ehemaligen Wandervogel, Herrn Jutkowski, einen gebürtigen Deutschen, der Verständnis für Walters Situation hatte und ihn in seinem Büro aufnahm.
Im Oktober 1945 heiratete Loli Emil Fischbein aus Haifa, der schon einen achtjährigen Sohn hatte. Auch Loli hatte eine sehr schöne Hochzeit. Sie siedelte nach Haifa über, wo Emil auf dem Hadar eine Wohnung hatte und im Elektrizitätswerk arbeitete. Walter war sehr intelligent, fleißig und gewissenhaft, fügte sich schnell ins Büroleben ein und stieg auch schnell auf. Als er ein Gehalt von 15L erhielt, beschlossen wir ein Kind zu bekommen.
Am 15. September 1946 kam unsere erste Tochter Ruthi auf die Welt. Ich hatte mich privat bei einem Gynäkologen eingetragen. Als es soweit war, ich glaube, es war ein Montag Nachmittag, machte ich mich auf den Weg in das damalige Shaare Zedek Hospital in der Jaffo Strasse. Ich ging mit Mutti, Trude brachte mein Köfferchen mit den nötigsten persönlichen Sachen nach und ging danach zu Freunden auf Besuch. Dies tat sie, weil wir bei den Nachbarn kein Aufsehen erwecken wollten.
Obwohl die Hebamme überzeugt war, dass noch Zeit bliebe, da dies meine erste Geburt war, musste mir zur Betäubung eine Maske aufgelegt werden, damit der Arzt noch rechtzeitig zur Entbindung eintreffen konnte. Die Geburt war sehr leicht und binnen vier Stunden hielt ich ein goldiges Mädelchen mit blonden Locken in Händen. Walter war etwas enttäuscht. Er hatte sich einen Jungen, einen Stammhalter, gewünscht. Aber er liebte und pflegte sein Töchterchen mit ganzem Herzen. Leider muss ich unsere Geschichte mit ausgefallenen Krankheiten berichten. So hatte ich nach der Geburt ein eitriges Geschwür und konnte Ruthi nicht stillen. In unserer kleinen Wohnung funktionierte es mit Ruthi ganz ausgezeichnet: Sie hatte ihr Kinderbett in der Ecke, eine Decke war vorgehängt. So konnten wir ungestört unser Leben führen und auch Freunde empfangen.

Noch während meiner Schwangerschaft flog das King David Hotel in die Luft und es gab viele Tote, auch in unserem Bekanntenkreis. Am 29. November 1947 bestätigte die UNO die Gründung unseres Staates. Dies nahmen wir mit großer Freude, Hurra-Tanz und Genugtuung auf. Aber damit begannen auch die großen Unruhen. Walter arbeitete damals in der Mamillastrasse, einer arabischen Gegend. Mir machte das Sorgen und wenn ich im Büro anrief, konnte ich das Schiessen dort unten hören.
Wir Frauen wurden von der Hagana dazu angehalten, so viele wichtige Geräte wie nur möglich aus den gefährdeten Gebieten heraus zu bringen. Ich erinnere mich noch, wie ich einige Telefone aus den Büros in der Mamillastrasse, unter meiner Weste und sehr ängstlich, zur Sochnut brachte.
Zu dieser Zeit hatten die Engländer als Strafe – nach Explosion des King David Hotel  – ganze Gebiete abgesperrt: Bevingrad, um das Generalbuilding herum, auch in Geula und Mea Shearim. Dadurch war es sehr schwierig Nahrung zu beschaffen.
Walter hatte im Büro – damals selbstredend – auch arabische Kollegen. Wir freundeten uns mit der Familie Nashashibi an und besuchten uns gegenseitig. Als es zu Nahrungsschwierigkeiten kam, brachte mir die Gattin des Arbeitskollegen Milch und Eier für unser Baby ans Grenzgitter.

Da meine Geschwister und vor allem "Mutterl" im selben Haus lebten, konnte ich bald wieder meine Arbeit im Kaffeehaus aufnehmen. Jerusalem war bereits umzingelt, Lebensmittel wurden immer seltener und das Hineinkommen in die Stadt ging nur unter Kanonenfeuer vor sich. Wir arbeiteten deshalb nicht täglich, hielten aber offen und versorgten vor allem die Kämpfer mit belegten Broten. für Zuhause konnten ich und auch Trude, die bei Fullworth, einem englischen Lebensmittelkonzern arbeitete, die Rationen, die es damals schon gab, etwas ergänzen.
Mütter und Kinder standen schon damals unter der Aufsicht der Krankenkasse. Die Abteilung hieß und heißt auch heute noch „Tipat Chalav“ und ich ging regelmäßig zur Kontrolle. Als ich darüber unglücklich war, dass ich für Ruthi nicht mehr die richtige Nahrung erhalten konnte, denn es gab auf den Märkten nur noch Orangen, meinte die Fürsorgerin: „Sei froh, dass es noch Orangen gibt!“ Und wie recht sie hatte! Bald gab es auch diese nicht mehr und wir in Jerusalem litten wirklich unter Hungersnot. Noch schlimmer war aber, dass wir keine Waffen und kein Wasser hatten.
Wasser wurde aus den unterirdischen Zisternen, die es in den meisten Jerusalemer Häusern gab, heraufgezogen und verteilt. Mutti und Jaquys Vater, der etwa um diese Zeit aus Shanghai gekommen war, standen oft stundenlang und unter Lebensgefahr an, um einen halben Eimer Wasser pro Familie zu ergattern. Damit musste man Kochen, sich, Wäsche und Geschirr waschen und nicht zuletzt die Toilette rein halten.
Gekocht wurde auf Holz im Freien. Unter dem Grenzgitter nach Shuafat zu krochen wir unter Lebensgefahr aufs Feld und sammelten „Chabebe“, eine Art Wildspinat. Der wurde den Kleinkindern vorgesetzt und rettete unserer Ruthi das Leben.
Durch den Mangel an Waffen wurden wir erfinderisch. Und so entstand die „Davidka“, eine Kanone, nach ihrem Erfinder benannt, die jedenfalls sehr großen Lärm machte. Sie wurde von West nach Ost und von Nord nach Süd gebracht und erweckte somit – zu unserem Glück – bei den Feinden den Eindruck, dass wir sehr viele Waffen besäßen.

Als am 15. Mai 1948 von Ben Gurion der Staat ausgerufen wurde, hatten wir in Jerusalem, die wir umzingelt waren, keine Waffen und kein Essen hatten, ein sehr eigenartiges Gefühl. So richtig freuen konnten wir uns nicht. Wir konnten ja nicht voraussehen wie der Krieg – ein Krieg gegen sämtliche arabische Staaten – ausgehen würde. Er wurde zum „Befreiungskrieg“.
Anfang Juni 1948 gelang es einem Konvoy, bei Nacht, über Stock und Stein, auf dem sog. „Burmaweg“, durch die arabischen Besatzungstruppen  nach Jerusalem durchzukommen. Eine große Freude für uns Jerusalemer!
Mein Schwager, ein ausgezeichneter Chauffeur, führte eines der Autos und meldete sich natürlich auch bei uns. Er brachte sogar einige Bananen mit. Ruthis Rettung! Endlich bekam sie etwas zu essen, das sie kannte und auch gern hatte.

Die Sochnut-Beamten übernahmen sofort nach Abzug der englischen Truppen die Büros. Die Aushilfsregierung wurde gegründet und die jüdischen Beamten der englischen Regierung wurden von den Israelis übernommen.
Unsere Wohnung, die ganz an der Grenze und den arabischen Truppen gegenüber lag, musste geräumt werden. Zunächst hatte „Etzel“ die gegenüberliegende Polizeischule besetzt. Als sie diese aber nicht halten konnten, bekamen wir den Auftrag, innerhalb weniger Stunden das Nötigste zusammenzupacken. Alte Menschen, Mütter mit Kindern und Kranke wurden mit einem Lastwagen abgeholt und bis in die Stadt, zur damaligen „Tnuvafabrik“ gebracht. Sowie wir dort ankamen, schlug eine Bombe zehn Meter von uns entfernt ein. Ein wunderbares „Willkommen“ und so standen wir da und wussten nicht wohin. Jaquy hatte entfernte Verwandte in der Gegend und so gingen wir zuerst zu diesen. Es war selbstverständlich, dass jeder jedem half. Wo sind diese Zeiten bloß hin? So verbrachten wir also die erste Nacht am Boden liegend bei diesen Verwandten, die übrigens auch Rathsprecher hießen. Am nächsten Tag bekamen wir den Schlüssel zu einer Eineinhalb-Zimmer-Wohnung mit großer Glasterrasse in der Schlomo-Molcho-Strasse 1. Die Wohnung gehörte der Tochter der Rathsprechers, die aber noch vor Ausbruch der Kriegshandlungen nach Tel Aviv gegangen war. Sowie wir dort eintrafen ereignete sich wieder ein Bombeneinschlag, direkt in die Glasterrasse! Wir belegten die Betten: rechts "Mutterl", links Jaquys Vater, den wir alle auch „Opa“ nannten. In der Mitte und am Boden lagen Jaquy, neben seinem Vater, dann Trudi, ich und Walter. Ruthi brachten wir in der Küche unter. Diese schien uns der sicherste Platz zu sein. Ruthi lag unter einer Stellage voller zerbrechlichem Glas! Wie gefährlich dies war, ist uns erst später eingefallen.

Es bildete sich langsam eine Interim-Regierung unter David Ben Gurion.  Die Leute, die bereits unter den Engländern Beamte gewesen waren, wurden in die neue Beamtenschaft aufgenommen.
Walter, der schon in ziemlich hoher Funktion tätig war, erhielt eine sehr gute Stelle bei den Meteorologen, unter denen wir viele Freunde fanden.
Langsam regulierte sich das Leben auch in Jerusalem. Uns wurde eine schöne Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung in Talbie zugewiesen. Trudi und Jaquy fanden eine Wohnung im Souterrain in der Alfasistrasse. Und so konnten wir die Wohnung in der Shlomo Molcho den Besitzern zurückgeben.
Da Mutti bei uns wohnte, konnte ich zu meiner Arbeit bei Faberoff zurückkehren. Mutti kümmerte sich um das Kind und führte den Haushalt. Es gab weiterhin nicht viel zu Essen, wenig Waffen und wenig Wasser.
Chaim Weizmann wurde zum ersten Präsidenten Israels ernannt.
Als es zum ersten Waffenstillstand kam, beschloss die Regierung nach Tel Aviv überzusiedeln. Jeder konnte nur das Notwendigste in einen Koffer packen und wir alle wurden spät abends mit einem Autobus – Mutti war mit uns – über die „Burma Strasse“ nach Tel Aviv gebracht. Die Fahrt dauerte etwa drei Stunden. Der Bus war überfüllt, einige Kleinkinder schrien aus voller Kehle, kein Platz und schlechte Luft. Ruthi, die ein süßes und ruhiges Kind war, wurde von Hand zu Hand gereicht. Das gefiel ihr gut und sie blieb bei guter Laune. In Tel Aviv angekommen, machten wir zuerst Pause und schöpften Luft – und Ruthi führte einen Tanz auf und drehte sich die ganze Zeit um ihre eigene Achse.
Danach ging die Reise weiter und erst im Zentrum der Stadt wurden wir abgesetzt und jede Familie bei einer Tel Aviver Familie für die Nacht untergebracht. Es wurde auf das Herzlichste für uns gesorgt: Wir bekamen eine Mahlzeit, für das Baby waren Milch und Lebben vorbereitet, wir konnten jeder einzeln ein heißes Bad nehmen und in guten frisch bezogenen Betten schlafen.
Am nächsten Morgen machte sich Walter auf die Suche nach einer eigenen Bleibe – Mutti hatten wir zu Loli nach Haifa geschickt – und kam mit einem Schlüssel zu einer kleinen Dachwohnung zurück. Diese stellte uns sein alter Freund Claus Rossert zur Verfügung, der vor kurzem geheiratet hatte. Die Wohnung war nahe dem Rothschild Boulevard gelegen und war mit Ziel der arabischen Bombenangriffe, die sofort nach Ende des Waffenstillstands einsetzten. Wir hätten bei jedem Angriff nach unten gehen müssen. Ich zog es aber vor mich zum Bettchen meines Kindes zu stellen und dachte, falls eine Bombe unsere Wohnung träfe, wir eben beide zusammen getroffen würden.
Nach einiger Zeit wurden uns unfertige Wohnungen in „Cholon“ angeboten. Es gab damals dort noch keinerlei Strassen, nur Sand und wieder Sand. Die Wohnungen, kleine Häuschen, hatten noch keine Fenster und auch noch keine Türen und Besucher konnten uns durchs Fenster begrüßen. Gesellschaftlich war es sehr schön. Wir waren vier Familien, jede mit Kleinkindern, und veranstalteten für die diese allerlei. Hierbei muss ich noch erwähnen, dass eins schönen Morgens mein angeheirateter Cousin Moshe Naim beim Fenster stand, in jeder Hand ein Huhn: „Weil wir doch so sehr in Jerusalem hungern mussten.“ Es war herzerwärmend!

Wir wurden in ein großes Bürohaus in Jaffo, Jerusalem Boulevard, eingewiesen. Jedem von uns standen drei Zimmer zur Verfügung, aber es gab weder eine Küche, noch ein Badezimmer. Also wurde einer der Räume notdürftig als Küche eingerichtet. Wasser wurde eingeleitet und in einer Ecke wurde auch eine Badewanne aufgestellt. Alle Zimmer waren durch einen langen Gang miteinander verbunden. Es gab keine Trennwände zwischen den Wohnungen. Die Kinder, die alle noch recht klein waren, spazierten überall zwischen den Beinen herum. Man stelle sich heute vor, dass man auch unter diesen Umständen glücklich sein und gut und zufrieden leben konnte!
In Jaffo konnte ich keine Arbeit annehmen. Wir befürchteten unsere Wohnung allein zu lassen, denn es gab zu dieser Zeit eine große Einwanderungswelle aus Bulgarien und die Leute besetzten jede nur mögliche Wohngelegenheit. Außerdem war Ruthi kaum zwei Jahre alt.
Jaffo wurde damals zur Militärzone erklärt und man konnte nur mit einem bestimmten Pass hinaus und herein kommen. Walter fuhr weiter per Rad in die Kiriah, wie auch von Cholon aus.

Ich war in anderen Umständen und als die Wehen einsetzten, hatte Walter Schwierigkeiten, die Bewilligung für ein Taxi zu erhalten. So kam ich in letzter Minute, nachdem schon das Wasser abgegangen war, in der Klinik im Beilinson Krankenhaus an. Der Weg von Jaffo bis dorthin dauerte eine gute dreiviertel Stunde.
In der Aufregung der bevorstehenden Geburt vergaßen wir uns um Ruthi zu kümmern. Da zeigte es sich von Vorteil, dass die Wohnungen nicht getrennt waren. selbstverständlich nahmen sich die beiden Frauen der Kollegen Ruthis an.

Ich hatte eine leichte, aber viel zu schnelle Sturzgeburt. Dass Kind riss mich nach allen Linien hin ein und da es inzwischen Nacht geworden war und es keinen Arzt gab, der mich nähen konnte, musste ich stundenlang mit gehobenen Beinen warten. Das Ergebnis waren schwere Thrombosen in beiden Beinen. Ich durfte das Baby damals nicht stillen, weil ich Sulphor erhielt. Das bemerkte aber die Leiterin der Babyabteilung nicht und das Kind wäre beinahe verhungerte, wenn ich mich nicht mit Ach und Krach durchgesetzt hätte und das Baby, unser Irithlein, endlich künstlich ernährt worden wäre.
Nach drei Wochen entließ man uns, obwohl meine Blutproben schlecht waren. Aber die Thrombosen waren nicht mehr zu sehen, sie hatten sich in den Körper verschlagen. Nach kurzer Zeit musste ich mit hohem Fieber und unter Lebensgefahr wieder ins Krankenhaus, diesmal in Jaffo, und Walter blieb mit zwei Kleinkindern zurück. Da ist, wie so oft, mein teures "Mutterl" eingesprungen und hat die Pflege der Kinder und die Wirtschaft übernommen. Am Wochenende kam auch des Öfteren meine Schwester Trude.
Am Ende des Ganges gab es einen kleinen Balkon mit hohem Gitter. Ruthi bekam anlässlich der Geburt ihres Schwesterleins auch eine Puppe, einen Buben. Ruthi wollte aber keinen Buben und so schmiss sie die Puppe einige Male kurzer Hand über den Balkon auf die Strasse.
Auch aus diesem Krankenhaus wurde ich viel zu früh entlassen. Außerdem habe ich das Klima in Jaffo nicht vertragen und konnte nicht abfiebern. Da riet unser Arzt aus Jerusalem, Doktor Margelith, meiner Mutter, mich und die Kinder gut einzupacken und nach Jerusalem zurück zu kehren. Er übernahm mich und verhalf mir, nach etwa einem Jahr wieder auf eigenen Beinen zu stehen.

Zunächst wohnte ich mit meinen Kindern bei Mutti und den Rathsprechers, bis ich 1951 in der Deutschen Kolonie ein ganzes Dachgeschoss fand und wir umziehen konnten. Walter hatte in der Zwischenzeit um Versetzung gebeten und bekam nun einen gehobenen Posten beim Verkehrsministerium.

Unsere Geschichte in Israel musste nach schweren und ausgefallenen Erkrankungen geschrieben werden. Wir gingen schwere Zeiten durch, erlebten aber auch viel Schönes. Und ich glaube, wir haben es verstanden, in allem noch etwas Schönes zu finden.

1957 machten Walter und ich eine dreimonatige, wunderschöne Europareise: Italien, Wien, Frankfurt, Berlin, England und zurück von Marseille per Schiff.
Hier möchte ich nur erwähnen, dass ich in Wien meine Schulkameradinnen fand und mit ihnen anlässlich der 20jaehrigen Maturafeier schöne Stunden verbracht habe. selbstverständlich besuchte ich auch meine alte Schule und sprach noch die alte Direktorin und eine Anzahl der alten Lehrerinnen.

Ab 1960 stellte sich bei Walterchen wieder sein Leiden ein, verschlechterte sich zusehends, so dass er frühzeitig in Pension gehen musste.
Hier möchte ich auch noch erwähnen, dass wir ab 1955 Mitglieder der Bnei Brith – David Yellin Lodge – wurden. Den da gefundenen Freunden habe ich viel zu danken! Sie standen und stehen mir auch heute noch in Freud und Leid zur Seite.

Im Sechs-Tage-Krieg waren wir wieder einmal bei Rathsprechers. Wie das Schicksal es wollte, gab es in Rechavia eine Anzahl Volltreffer. Meine Dachwohnung in der Deutschen Kolonie blieb währenddessen unbehelligt.

Im Oktober 1968 starb Walterchen. Ich hatte bereits in der „Entschädigung“ meinen Platz gefunden.
Purim 1973 hat uns unser teures "Mutterl", Frau Olga Berger, für immer verlassen. Noch vor Ausbruch des Jom-Kippur-Krieges heiratete Irith, zwei Jahre später Ruthi. Beide Töchter haben sich gut eingeordnet und heute kann ich mich an sieben erwachsenen Enkeln erfreuen.

In meinem Beruf, der Wiedergutmachung, hatte ich viel Erfolg. Ich änderte einige Male den Anwalt mit dem ich zusammenarbeiten wollte, bis ich etwa 1970 zu den Anwälten Iskin und Freund kam, bei denen ich eine eigene Abteilung, nämlich Lastenausgleich und Vermögensschäden im Ostteil Deutschlands übernahm und mit Herrn Bock, der nach Bremen übersiedelte zusammenarbeitete.
Aus Altersgründen wurde das Büro etwa 1980 sehr verkleinert. Rechtsanwalt Paul Freund und ich zogen in die Ben Yehuda Strasse 1. Herr Bock und auch Herr Iskin waren in der Zwischenzeit gestorben.
Als das Büro 1982 ganz zu machte, übernahm ich die noch „lebenden Akten“ und habe auch jetzt noch immer wieder Klienten.

In der Zwischenzeit bin auch ich 86 Jahre alt geworden, gehe noch so oft wie möglich Schwimmen und male mit Eifer. Ich hatte bisher auch zwei Ausstellungen, arbeite freiwillig und finde überall liebe Menschen, die mir das Leben erleichtern und verschönern – und ich spiele Bridge.

Ich habe nur einen Wunsch: wenn die Zeit kommt, ohne viel zu leiden würdig von der Bühne des Lebens abtreten zu können und dass meine Kinder und Kindeskinder friedliche Zeiten erleben!

Es gäbe noch viele Episoden zu erzählen. Doch diese sind schon allgemeine Geschichte und ich nehme an, auch meiner Familie bekannt.

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